Digitale Nachhaltigkeit nur mit digitaler Gerechtigkeit!

    Das Buzzword Nachhaltigkeit begleitet uns überall. Doch was bedeutet Nachhaltigkeit im Kontext der Arbeit der OKF? Ermöglicht durch eine Projektförderung der Postcode Lotterie konnten wir uns intensiver mit dem Thema auseinandersetzen und mögliche Handlungsfelder für unsere Arbeit herausarbeiten. Im Folgenden stellen wir einige der Ideen kurz vor. Die vollständige Publikation kann hier heruntergeladen werden.

    Zugänge zu digitaler Nachhaltigkeit

    Als Teil des Bits & Bäume Konsortiums haben wir verschiedene Dimensionen von Nachhaltigkeit im Blick, z. B. ökologische, ökonomische, soziale, politische oder strukturelle Aspekte. Im Fokus unserer Arbeit steht aber die Auseinandersetzung mit und Umsetzung von digitaler Nachhaltigkeit. Wir beschäftigen uns damit, wie digitale Technologien den Menschen nützen können, welche Probleme diese Technologien lediglich schaffen oder aber lösen und wie der Ansatz Offenen Wissens in der Gestaltung von Technologien wirksam werden kann. Zentral dabei ist, wie der Weg hin zu digitaler Nachhaltigkeit gestaltet werden und wer sich daran beteiligen kann. Internetzugang (als Voraussetzung des Digitalen) ist längst nicht überall in der gleichen Qualität vorhanden. Und auch das Wissen rund um seinen Nutzen, seine Anwendungen und Möglichkeiten ist in der Gesellschaft ungleich verteilt. Diese digitale Ungleichheit durchzieht zwangsläufig alle digitalen Anwendungsfelder.

    Fokus auf Politik und Unternehmen statt Nutzer:innen

    Bei Diskussionen rund um den Zugang zu digital nachhaltigen Anwendungen wird oftmals auf die Nutzer:innen verwiesen, die wählen können, welche Inhalte sie im Netz konsumieren oder verbreiten und welche Tools sie dafür nutzen. Die Verantwortung für eine nachhaltige Interaktion liege demnach bei ihnen. Doch in einer Welt, in der Hard- und Software in der Regel von großen global agierenden Unternehmen produziert werden, die den Diskurs bestimmen und in der öffentlichen Wahrnehmung als einzige oder gar beste Optionen wahrgenommen werden, ist die vermeintliche Wahl nachhaltiger Produkte nicht so einfach. Gleiches gilt für einen nachhaltigen Umgang mit öffentlichen Daten und Informationen, die staatlicherseits zurückgehalten werden oder nur restriktiv zugänglich sind, z. B. indem Gebühren für ihre Bereitstellung verlangt werden. Durch diese Zugangsschwierigkeiten wird digitale Nachhaltigkeit auch zur sozialen Frage. Denn nachhaltig ist nur, was allen Gesellschaftsgruppen offen steht und nicht exklusiv nur einer Minderheit zur Verfügung steht.

    Merkmale digitaler Nachhaltigkeit

    Digitale Nachhaltigkeit ist eine Form von Nachhaltigkeit, welche die Digitalisierung nutzt, um eine nachhaltige Entwicklung zu gewährleisten. Es handelt es sich um ein Konzept, das sich zunächst auf die immateriellen Güter der Digitalisierung bezieht, also z. B. Daten, Software, Informationen und Wissen. Das Konzept baut auf die Definition für nachhaltige Entwicklung der Brundtland-Kommission im Jahr 1987. Dort heißt es: „Dauerhafte Entwicklung ist Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können.“ Daraus nehmen wir mit, dass es bei digitaler Nachhaltigkeit darum geht, Wissen zugänglich zu machen, zu schützen und damit zukünftigen Generationen zur Verfügung zu stellen.

    Neben technischen Merkmalen und digitaler Kompetenz stehen bei digitaler Nachhaltigkeit aber vor allem sozio-strukturelle Merkmale von Offenheit wie Transparenz und Rechenschaftslegung, öffentliche Kontrolle, Zugang und Teilhabe im Vordergrund. Dadurch erhalten nicht nur privilegierte Bevölkerungsgruppen Zugang zu Wissen und damit die Möglichkeit, sich aktiv in unsere demokratischen Prozesse einzubringen, sondern idealerweise alle. Dies wird dadurch unterstützt, dass wir nicht mehr an einem bestimmten Ort, wie einer Bibliothek oder Schule, sein müssen, die auch nur zu bestimmten Zeiten geöffnet sind, sondern selbst entscheiden können, wann und wo wir uns beteiligen an der Erstellung, Verbreitung und Weiterentwicklung von Wissen.

    Wir fordern eine offene, gerechte, nachhaltige Digitalpolitik

    Wenn wir digitale Nachhaltigkeit mit der Brille der Offenheit betrachten, insbesondere als Indiz dafür, wie zugänglich ein System ist, zeigt sich deutlich, dass digitale Gerechtigkeit mit entscheidend für die Erreichung digitaler Nachhaltigkeit ist. Umgekehrt kann eine nachhaltige Digitalisierung aber auch digitale Gerechtigkeit befördern. Dies kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn Geräte so konzipiert werden, dass sie ohne großen Aufwand, ohne Spezialwerkzeuge oder hochspezialisiertes Wissen repariert werden können.

    Auch eine Preispolitik, die dafür sorgt, dass der Preis von Einzel- oder Ersatzteilen nicht künstlich erhöht wird, sondern sich finanziell gegenüber einer gesamten Neuanschaffung lohnt, kann sich positiv auf digitale und nachhaltige Gerechtigkeit auswirken. Denn die finanziellen Kosten von Digitalisierung beeinflussen nachhaltige Entscheidungen. Künstlich erhöhte Kosten, die nicht nachvollzogen werden können, führen dazu, dass Nachhaltigkeit immer noch als ein Lebensstil wahrgenommen wird, der vermeintlich nicht allen zusteht. Im Gegensatz dazu kann die Durchsetzung digitaler Gerechtigkeit als Norm die nachhaltige Entwicklung unserer digitalen Güter steuern.

    Bei der OKF zeigen wir mit unseren Projekten, wie eine digital nachhaltige Gesellschaft aussehen kann. Für die maximale Wirksamkeit unserer Ideen braucht es aber andere politische Rahmenbedingungen. In unseren Forderungen für die Bundestagswahl 2021 setzen wir deshalb u. a. auf Offene digitale Infrastrukturen, eine sozial bewusste Offene Technologiebildung sowie Freie und Offene Soft- und Hardware. Wenn die Politik Nachhaltigkeit als Ziel ernsthaft verfolgen und nicht nur leere Versprechungen machen möchte, führt an unseren Forderungen kein Weg vorbei.