Offene Daten für Alle
Demnächst wird in Brüssel über die Open Data Verordnung (ehemals PSI Richtlinie) abgestimmt,
Bericht siehe hier, aktuell wird in Deutschland über “Daten für alle” gesprochen und wir sind zur heutigen Veranstaltung eingeladen. Es ist ja an sich ja überfälliger und erfreulicher Debattenanstoss.
Update: Video von der Veranstaltung
tl;dr:
Ein kurzer Kommentar u.a. zu grundlegenderen offenen Punkte in diesem Zusammenhang:
1. Allgemein: (offene) Daten für alle.
Wer Daten für alle fordert, sollte selbst auch die eigenen Daten liefern. Daher offene Daten für alle, ein OpenData Gesetz 2.0 (pro-aktive Umsetzung der Open Data Richtlinie), also ein Transparenzgesetz!
2. Zuerst faire Besteuerung der Digitalunternehmen
Die Digitalsteuer im Jahr 2018 ist gescheitert, es gibt weiterhin massive Steuerlöcher. Daher müssten wir IT-Konzerne steuern - durch faire Besteuerung.
3. Wettbewerbsgrundlagen sichern
Martkeintrittschancen gewährleisten
4. Diskussion über Daten, Datasharing und alternative Vorschläge
Konkrete alternative Modelle wären u.a. Technologische Souveränität, mydata/ourdata, …
Update folgt. Live-Doc
Also der Reihe nach:
1. Wer von Firmen einen geregelten Zugang zu deren (nicht
persönlichen) Daten fordert, auch wenn diese Monopolisten sind, sollte dies auch selbst erbringen.
Dies hat den eleganten Nebeneffekt, man spart sich zuerst mal die Thematik der personenbezogenen Daten.
Wir reden hier von einem notwendigen Open Data Gesetz 2.0. Ist im Koalitionsvertrag angekündigt. Zur Umsetzung bleiben noch weniger als 2 Jahre.
(Interessant hier auch, im Entwurf des Koalitionsvertrages Stand 11:30 05.02.2017 war es noch strittig, ob es nur ein “zweites #OpenData-Gesetz oder ein #Transparenzgesetz geben soll:
1568 Strittig intern: Formulierungsvorschlag SPD: Um den Open Data-Gedanken zu stärken werden wir die gegenwärtig nebeneinander bestehenden Informationsfreiheitsgesetze (Informationsfreiheitsgesetz, Umweltinformationsgesetz, Verbraucherinformationsgesetz) werden wir zusammenführen in einem Transparenzgesetz. Der Bürger soll einen Rechtsanspruch auf Open Data haben.” Dies war vor 2 Jahren. Dieser Koalitionsvertrag ist ein Jahr und 6 Tage alt, nach einem Viertel liegt die Umsetzungsquote bei den digitalen Themen bei ¯\_(ツ)_/¯. )
Ein weiterer Anlass ist die kommende Open Data Richtlinie (vormals bekannt als PSI Directive).
Bei den Verhandlungen in Brüssel zur neuen Open Data Richtlinie hat sich die deutsche Delegation nicht mit Ruhm bekleckert und galt als Digitalisierungsbremse.
Zum allgemeinen Verständnis nochmals: **Ohne Daten, keine AI Musik. **
Konkret: Wir fordern ein Transparenzgesetz. Es darf nicht bei Open Data ohne Rechtsanspruch bleiben. Und endlich müssen wichtige Datensätze, wie z.B. das Handelsregister, geöffnet werden.
(Und weil es naheliegend ist, auch Transparenz bei Parteistiftungen und die Offenlegung von Parteisponsoring.)
Deutschland könnte, wenn es wollte, als Novum eine Vorreiterrolle bei der anstehenden Umsetzung der Open Data Verordnung übernehmen. Das bedeutet, die Umsetzung der Verordnung mit der Liste der High Value Data Sets als Anlass für ein Open Data Gesetz 2.0 nehmen und den großen Digitalisierungankündigungen bis spätestens Sommer 2021 auch Taten folgen lassen.
Des weiteren, so wichtig diese Diskussion ist, so überfällig sind die dafür grundlegenden allgemeinen Bausteine der “Datengenerierung” selbst. Neben dem Wettbewerbsaspekten (Geschäftsmodelle, Markteintrittschancen, gleicher Besteuerung, …) zählt dazu auch die technische Infrastruktur in Deutschland. Über den Zustand von Breitband, Mobilnetz, … will man sich ja lieber nicht äussern, wenn man regelmäßig im (Entwicklungs)ausland unterwegs ist. Dagegen hat der Berliner Flughafen BER noch Chancen auf ein Erfolgsprojekt als Flugtaxilandeplatz.
Also:
Die Grundlagen schaffen, insbesonders die ambitionierte Umsetzung der Open Data Richtline (“Open Data Gesetz 2.0”) und ein dafür notwendiges Transparenzgesetz.
2. Gewährleistung ausgeglichener finanzieller Spielwiese, also faire Besteuerung
Der nächste Schritt der getätigt werden sollte, bevor es überhaupt in die komplexere Datenmaterie des Datensharings und der Datennachnutzung geht, wär zumindest eine ausgeglichene wirtschaftliche Spielwiese zu gewährleisten.
Dazu gehört erstens ganz einfach die faire Besteuerung der Gewinne der großen IT-Konzerne und zweitens brauchbare Markteintrittschancen für Neulinge.
Digitalkonzerne wie Google, Apple, Facebook, Amazon und Microsoft sind nicht nur bei der Technik innovativ, sondern auch bei der Ausschöpfung der Steueroptimierungen zu Gunsten Ihrer Aktionäre. Neben der technischen Marktmacht (u.a. aufgrund von Netzwerkeffekten) entsteht auch eine enorme ökonomische Marktmacht. Als bekannteste Beispiele: 2014 hatte Apple in Europa eine Steuerquote auf den Gewinn von 0,005 Prozent. Google alleine sparte sich 2016 3.7 Milliarden Steuern in Europa. Internationale Digitalkonzerne weisen meist eine Steuerquote im einstelligen Bereich auf, im Vergleich zu 23 Prozent in den anderen Wirtschaftssektoren. Die OECD nennt diese Fälle eine ungeheuerliche Vorgangsweise, die EU schätzt den jährlichen Schaden auf 54 bis 76 Mrd. Euro.
Während sich also Google, Amazon und die anderen “zynisch” verhalten, ist der Kern dieses Verhaltens ein grundlegendes und bedeutendes Versagen Deutschlands und der EU. Brüssel und die Mitgliedsstaaten wären gut beraten, darüber nachzudenken, dies zu regeln.
Im Sinne eines fairen Wettbewerbs und einer deutschen bzw. europäischen Datenwirtschaft gilt es dies näher zu betrachten. Die aktuelle Aufschiebetaktik u.a. von Olaf Scholz bis 2021 ist hier nicht hilfreichend, es besteht Handlungsbedarf sowie das Aufzeigen konkreter, machbarer und kompromissfähigen Lösungsansätze. Internationale Digitalkonzerne sollten ihren Teil zu einer funktionierenden Infrastruktur in Europa beitragen. (Siehe 34c3 Taxation talk) .
Es ist bemerkenswert, dass das Thema Steuern in der Diskussion nicht einmal vorkommt. Obwohl dies einer der einfachsten und effektivsten Hebel wäre um die Basis für Chancengleichheit zu gewährleisten.
Nachdem Besteuern eines fairen Betrags, stellt sich dann weiter die Frage, ob ein “gesellschaftliches Steuern” durch die Besteuerung bestimmter Datentransaktionen nicht förderlich sein kann um Skalen-und Netzwerkeffekte gezielt einzudämmen bzw. die Kosten für bestimmte Datennutzung (als Beispiel 3rd-party-tracking) zu erhöhen. Ein Gedanke hierbei ist entstandene Externalitäten auf Grundrechte und Demokratie durch personenbezogene Datentransaktionen (Beispiel politische Werbung auf Plattformen und die Diskussion über deren “vermeintliche Nichtnachvollziehbarkeit”) zu steuern. Dies auch vor dem Hintergrund, dass die betroffenen Tech-Firmen sich wahrlich nicht um Aufklärung bemühen.
Also:
**1. Faires Besteuern **
2. Mögliche Diskussion über zusätzliche Steuerung (gesellschaftliches Steuern welche Werte, Values … wie besteuert werden (Skalen und Netzwerkeffekte eindämmen, )
3. Wettbewerb / Kartellrecht / Offene Standards
Letzte Woche gab es die Premiere, dass sich eine Wettbewerbsbehörde erstmalig zu dem Thema Datenmacht geäussert hat. U.a. zu einer Firma die solch eine Marktmacht hat, dass sie die Bedingungen diktieren kann und NutzerInnen keine Wahl haben. Dies war ein erster, längst überfälliger zaghafter Schritt. Dieser Vorgang sollte auf die EU-Ebene getragen werden.
Die Datensilos sollte man öffnen. Dabei sollte man jedoch unterscheiden zwischen der Öffnung für die Mitwettbewerber und zur Öffnung zum Gemeinwohlzweck.
Die Thematik bzgl. Anonymsierung und Re-Identifizierung (Stichwort Reidentifizierungpflicht) sollte nicht unterschätzt werden und Bedarf sehr sorgsamer Vorgangsweise.
Wer industriepolitisch übersieht, dass es Teil der Markteroberungstrategie ist Kaffeekassenstrafen in Kauf zu nehmen (z.B. Uber in Berlin, oder beim Facebook & Whatsapp Deal, 110 Millionen bei angekündigter Missachtung der Mergerauflagen, zur Einordnung das sind lächerliche 0.6% des Mergervolumen) versäumt das Zeitfenster für einen “europäischen Weg”. Aktuell ist die EU noch größter Binnenmarkt, dies wird sich aber auch ändern. Im Vgl. empfiehlt sich eine Betrachtung der US bzw. chinesischen Interessenswahrungsstrategien.
Konkret liesen sich teilweise Netzwerkeffekte mit Eingriffen durch eine sogenannte Interoperabilitätsverpflichtung abschwächen. Also eine Verpflichtung, dass Plattformen offene Schnittstellen anbieten müssen. Als Beispiel werden hier die Messengerdienste (Vergleich zu SMS Dienstkompatibilität zwischen den verschiedenen Mobilfunkprovidern) genannt, vollkommene Zustimmung, jedoch wird in anderen Fällen die Angelegenheit durchaus komplexer (z.B. Interoperabilität bei Socialmedia UX).
Fassen wir zusammen, die notwendigen deutschen Vorbedingungen für einen unabhängigen dritten europäischen Datenwirtschaftansatz, erstens der eigene kleine Datenschatz von möglichen offenen Daten wird nicht gehoben, zweitens die eigene digitale Infrastruktur liegt am Boden, drittens steuerrechtlich fehlt es an der Durch- und Umsetzung und viertens Wettbewerbsbehörden kommen erst jetzt bei der Thematik in die Gänge.
Diese Punkte sollten adressiert werden bevor man den Hauptpunkt angeht. Jedoch sind diese genannten Maßnahmen alleine für die anstehende Aufgabe unzureichend.
4. Alternative Vorschläge Mydata/Ourdata
Schließlich können wir die jüngsten Datenkontroversen (FB Cambirdge Analytica, NSAUA, …) nutzen, um eine wirklich dezentrale, emanzipatorische Politik zu artikulieren (Offene Daten, bürgerliche Freiheitsrechte, Transparenz,…), in der die Institutionen des Staates (auf allen Ebenen, von der EU, national bis kommunal) eingesetzt werden, um die Schaffung sozialer Rechte an Daten anzuerkennen, zu schaffen und zu fördern.
Wie dieser Weg aussehen könnte, versuchten wir u.a. hier im zivilgesellschaftlichen CityLab Berlin aufzuzeigen.“Manifest zur Förderung der technologischen Souveränität und der digitalen Rechte” auf Stadtebene, adaptierbar auch für Deutschland.
Exkurs: Zum einfacheren Verständnis versuche ich diese Datenproblematik am Thema öffentlichen Nahverkehr zu erklären (“Wegen dem CO2 warat’s.”).
Ein Land, wo 2019 nicht mal die Daten der öffentlichen Nahverkehrsmittel zugänglich sind, und hier sprechen wir von den Soll-Fahrplandaten, hat noch einen weiten Weg vor sich. (Erinnerung: Soll-Fahrplandaten sind der laminierte Papierwisch an den Haltenstellenpfosten, von Echtzeit-/Ist-Fahrplandaten ist hier in Deutschland nicht die Rede.)
Drei Beispiele dazu wie es gehen kann:
Echtzeitanzeige des öffentlichen Verkehrs in Helsinki auf Open Data Basis und offener Standards. Diese Plattform wurde dank open data und offenen Standards um schlappe 15.000 Euronen in Meran installiert (40.000 Einwohnerstadt, inkl. notwendige beacons/hardware für die Einstieghöhe bei Bussen).
Jetzt stelle mensch sich mal vor, die deutschen bzw. vielleicht sogar europäischen Verkehrsunternehmen würden einmal gemeinsam an solch brauchbaren Lösung arbeiten.
Kurzfassung: An der US-Westküste gab es E-Scooter-Boom, dann standen dort wie in Berlin die Bikes am Gehsteig rum, daher hat die Stadt Los Angeles eine Mobility Data Specification definiert welche die Regel beinhalten, dass private Mobilitätsanbieter nur in Los Angeles tätig werden dürfen (also die öffentliche Infrastruktur verwenden), wenn sie selbst die Echtzeit(positions)daten wieder (offen) an die Stadt selbst zugänglich machen. Damit schafft man brauchbaren multimodalen ÖPNV.
Die Stadt Austin in Texas verwies Uber und Lyft in die Schranken, mit dem Ergebnis 25% mehr Lohn für die Taxi-Fahrer vor Ort.
Fördert man solche Projekte, könnte die Silicon-Valley-Abführungssteuer (ca. 20% Abschöpfung der lokalen Leistung wie Taxifahrten/Übernachtung) der Platformen reduziert werden. Die 3 Fälle kann man unter “Mission Oriented Policy Hacking” für das Gemeinwohl zusammenfassen. Nebenbei erwähnt, als das aktuell beste Beispiel für brauchbare open data ÖPNV Anstrengungen in Deutschland darf wahrscheinlich aktuell Bonn bzw. Ulm gelten.
Als Gegenmodell zu solchen Ansätzen kann das eher abschreckende Beispiel sidewalk labs von Google in Toronto und dessen “Datenteilungsansatz” mit US Städten (Verträge abgeschlossen, Bewegungsdaten für Stadtplanung, von BürgerInnen dann nochmals verkauft, an die Städte) betrachtet werden.
Des weiteren könnte und sollte MyData bzw. OurData berücksichtigt werden. Diese Modelle stehen aktuell in Ausarbeitung, bieten aber schon interessante Ansätze.
Bei der Entwicklung eines MyData verbraucherzentrierten Ansatz steht die Transparenz bei der Datenverarbeitung, Dezentralisierung auf dem Datenmarkt und der Einsatz von technischen Standards im Fokus. MyData formuliert folgende Rechte für die Schnittstelle zu sämtlichen gespeicherten persönlichen bzw. personalisierbaren Daten, auf die der Bürger Zugriff hätte: Das Recht zu wissen, welche persönlichen Informationen vorliegen; den tatsächlichen Inhalt der persönlichen Daten zu sehen; falsche Daten korrigieren zu können; zu prüfen, wer Zugriffe auf die personenbezogenen Daten hat und warum; persönliche Daten zu erhalten und sie frei zu verwenden; persönliche Informationen mit Dritten zu teilen oder sie zu verkaufen; persönliche Daten zu löschen.
Dieser Ansatz kann, wenn von BürgerInnen gewünscht ist, auch für gemeinwohlorientierte Zwecke angewendet werden: Ourdata.
Man bündelt die die einzelnen mydata-Silos (Daten vorher auf Benutzerbasis von den Firmendatensilos abgeholt) auf freiwilliger Basis in ein gemeinschaftlichen Ourdata zum Wohle der Gesellschaft. Ein aktuelles Beispiel dafür war die Kampagne OpenSchufa, die Nachvollziehbarkeit von Creditscoring mittels Datacrowdfunding. (Aktuelle besteht noch immer Handlungsbedarf seitens der Politik bzgl. der Schufa.) oder midata in der Schweiz.
Wer nicht mit der Forderung der Vergesellschaftung von Facebook losstartet, wird nicht mit mehr als ein paar Datenkrümmeln, Abendessenseinladungen und ein maximal paar KlinkenputzerInnenarbeitsplätzen (Erhöhung der “Policy-Arbeit”) unter den Linden abgespeist.
Brauchte es früher die soziale Marktwirtschaft um den Kapitalismus auch für die allgemeine Bevölkerung zugänglich zu machen, bedarf es jetzt einer einer sozialen Datenmarktwirtschaft.
Diese schützt vor Datenmonopolen und als Nebeneffekt den Datenkapitalismus vor sich selbst.
Im übrigen bin ich der Meinung, dass man Facebook vergesellschaften muß.
PS: Für weitere Details zur Datenwirtschaftslage mit persönlichen Daten empfehle ich auf Wolfie Christl.
*PPS: Am 15. Mai findet bei der SPD Netzpolitik eine Diskussion dazu statt.