Stellungnahme des Bündnis F5 zur Datenstrategie der Bundesregierung

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    „Fortschritt durch Datennutzung“ – so lautet die Weiterentwicklung der Datenstrategie von 2021, die zur Mitte der Legislatur veröffentlicht wurde. Es ist deutlich erkennbar, dass die Bedeutung der Datenpolitik nun stärker als gesamtgesellschaftliches Thema begriffen wird. Dennoch verharrt das Dokument im üblichen Modus der zusammengeschusterten Strategiepapiere als Sammelsurium verschiedener bekannter Ansätze und Einzelmaßnahmen; ein Gesamtrahmen mit klaren Governance-Strukturen, Rollen und Prozessen sowie einer soliden Dateninfrastruktur für eine planvolle und effektive Umsetzung der bereits beschlossenen Maßnahmen fehlt weiterhin.

    Dr. Henriette Litta, Geschäftsführerin der Open Knowledge Foundation, sagt: “Datenpolitik muss endlich als Gesellschaftspolitik verstanden werden, die uns alle betrifft. Daher sollten auch alle gesellschaftlichen Gruppen in die politischen Prozesse zur Gestaltung einer guten Datenpolitik einbezogen werden.”

    Das Bündnis F5 (AlgorithmWatch, Gesellschaft für Freiheitsrechte, Open Knowledge Foundation Deutschland, Reporter ohne Grenzen, Wikimedia Deutschland) unterstützt die Datennutzung für gemeinwohlorientierte Zwecke und richtet den Fokus insbesondere auf folgende Punkte der Datenstrategie:

    Bundestransparenzgesetz und Rechtsanspruch auf Open Data müssen früher kommen

    Eine der wenigen neuen Informationen in der Datenstrategie ist der Umsetzungsplan. Dieser offenbart leider auch, dass das dringend notwendige Bundestransparenzgesetz und der Rechtsanspruch auf Open Data zu weit nach hinten geschoben werden. Eine geplante Verabschiedung im letzten Quartal 2024 läuft Gefahr, dass sich die Vorhaben so weit verzögern, dass sie in der laufenden Legislaturperiode nicht mehr beschlossen werden können. In der nächsten Legislaturperiode ginge es dann zurück auf Los. Dabei sind diese Vorhaben zentral, um die demokratischen Rechte der Bürger:innen und die Demokratie als Ganzes zu stärken, das Potenzial offener Daten für die Gesellschaft zu nutzen und die dringend notwendige Verwaltungsmodernisierung voranzubringen. Zudem hat mehr Transparenz in der Verwaltung eine wesentliche Rolle für die journalistische Arbeit und die Pressefreiheit. Journalist:innen sind auf Zugang zu Informationen auch über das Informationsfreiheitsgesetz angewiesen, erleben jedoch immer wieder Hürden – etwa wenn Anfragen an Behörden nicht in Gänze, mit notwendigen Details oder verspätet beantwortet werden oder wenn Anfragen gänzlich scheitern.

    Fehlende Regeln für KI in der öffentlichen Verwaltung

    Die Datenstrategie verweist an verschiedenen Stellen darauf, neue Möglichkeiten zu schaffen, um Künstliche Intelligenz in der öffentlichen Verwaltung zu nutzen. Ein KI-Strategie-Update ist die Datenstrategie aber sicher nicht. Primär sollen Einsatzmöglichkeiten für Large Language Models geprüft und Anforderungskriterien dafür identifiziert werden. In der Strategie fehlen konkrete Pläne für einheitliche Anforderungskriterien und Transparenzvorgaben für jene automatisierten Systeme, die bereits heute in der öffentlichen Verwaltung im Einsatz sind. Außerdem verweist die Roadmap auf den weiteren Aufbau des Beratungszentrum Künstliche Intelligenz in der Verwaltung (BeKI). Der Aufbau ging seit dem Start eher schleppend voran. In der verbleibenden Zeit der Legislaturperiode muss die Regierung konkrete Vorhaben für den Kompetenzaufbau in der öffentlichen Verwaltung an den Aufbau des BeKI knüpfen.

    Datenkompetenzen nur mit offenen Bildungsangeboten

    Wir begrüßen das Ziel der Datenstrategie, die Kompetenzen im Umgang mit Daten in der Gesellschaft erhöhen zu wollen. Damit sich alle Menschen selbstbestimmt und kritisch mit der Nutzung von Daten und digitaler Technik auseinandersetzen können, sollten alle öffentlichen Stellen prinzipiell auf freie Bildungsmaterialien (Open Educational Resources, OER) setzen. In der Praxis erprobte Bildungsprogramme im Bereich data literacy sollten gestärkt werden, anstatt immer wieder neue Bildungsinitiativen mit unklarem Fokus und begrenzter Laufzeit zu starten. Im Bereich Jugendbildung ist das Programm Jugend hackt ein gutes Beispiel.

    Gemeinwohlorientierung als wichtiges Ziel von Datennutzung

    Zehn Mal findet der Begriff “Gemeinwohl” Erwähnung in der Datenstrategie, einschließlich einer eigenen Überschrift “Rahmenbedingungen für mehr Daten für das Gemeinwohl”. Allerdings zeigt die Strategie kein klares Verständnis von Gemeinwohl und legt nahe, dass damit in unspezifischer Form “Bürokratieabbau und Innovationen” gemeint seien. Stattdessen muss das in der Strategie artikulierte Interesse an “mehr Daten” primär dem Gemeinwohl dienen. Das bedeutet: Auch bei Wirtschaftsförderung muss klar sein, wie diese der Gesellschaft insgesamt zugutekommt. Aline Blankertz von Wikimedia Deutschland beschreibt, wie dies gelingen kann: “Das Gemeinwohl stellt den gesellschaftlichen Nutzen in das Zentrum und sollte nicht nur ein positiver Nebeneffekt sein. Wir haben acht Anforderungen entwickelt, die digitalpolitische Projekte erfüllen müssen, um das Gemeinwohl zu fördern.”

    Best Practice aus der Zivilgesellschaft einbinden

    Um den Mehrwert von Daten aufzuzeigen, sollen laut Datenstrategie Anwendungsbeispiele und “Best Practices” bekannt gemacht oder entwickelt werden. Die vielfältigen Beispiele zivilgesellschaftlichen Engagements, die den Wert von (offenen) Daten eindrücklich demonstrieren, müssen dabei mehr Beachtung und Einbindung finden. So zeigen Anwendungen wie Wheelmap, Klimawatch oder sensor.community das Potenzial offener Daten für Gesellschaft, Klima und Umwelt auf. Das Wikimedia-Projekt Wikidata stellt eine funktionierende Anwendung des Prinzips Linked Open Data dar und findet Anwendung bei vielen Akteur:innen in der Wissenschaft, im Bibliothekswesen, in der Wirtschaft und in Projekten der Europäischen Union. Zudem sind wiederkehrende Muster, die Datenprojekte immer wieder scheitern lassen, von zivilgesellschaftlichen Akteur:innen gesammelt worden. Aus vergangenen Fehlern muss stärker gelernt werden.

    Klare Governance-Strukturen müssen endlich entwickelt werden

    Um die vielen Einzelmaßnahmen effektiv umsetzen zu können, muss die Regierung klare Governance-Strukturen mit eindeutigen Rollen und Prozessen schaffen, die bisher zu unkoordiniert sind. So soll laut Datenstrategie nun jedes Ministerium Datenatlasse und Datenpools in den einzelnen Datenlaboren entwickeln. Dabei stellen sich zentrale Fragen: Wie werden zivilgesellschaftliche Organisationen in den Strukturen eingebunden und wie wird ihre langjährige Expertise nachhaltig berücksichtigt? Wie wird Wissen zwischen den Laboren ausgetauscht? Wie sollen die notwendigen Infrastrukturen entstehen, um nach der Kartierung auch den Zugang zu schaffen? Es braucht eine übergeordnete Koordination für eine solide Dateninfrastruktur der öffentlichen Verwaltung. Experimentierräume der Verwaltung dürfen dabei unter keinen Umständen demokratische Prinzipien der Transparenz, Beteiligung und Rechenschaftspflicht außer Acht lassen. Zudem ist unklar, welche Rolle das sich im Aufbau befindende Dateninstitut innerhalb des Datenökosystems einnehmen soll und wie zivilgesellschaftliche Expertise eingebunden wird. Auch wie die nationale Datenpolitik andere föderale Ebenen unterstützt und mitdenkt, findet keine Erwähnung. Die Datenstrategie hätte das Potenzial gehabt, einen Gesamtrahmen mit einer klaren Zielrichtung der Datenpolitik zu definieren. Diese Chance wurde leider vertan.