Für eine europäische Infrastruktur zum Datenschutz

    In diesem Blogartikel meldet sich die OKF-Datenschutzexpertin Beata Hubrig zu Wort. Die Rechtsanwältin fordert den Einsatz der Europäischen Kommission für den Aufbau einer entsprechenden europäischen Infrastruktur. Im Zuge der anstehenden Bundestagswahl können und sollen die Weichen für einen solchen Ansatz in Deutschland und der EU gestellt werden.

    In der gestrigen Rede der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zur Lage Europas legte sie unverändert einen Schwerpunkt auf die Digitalisierung in Europa. Dazu gehört, meiner Meinung nach, besonders die Übernahme der politischen Verantwortung für Safe Harbor und das Data Privacy Shield.

    Durch diese beiden Abkommen zwischen dem US-Handelsministerium und der Europäischen Kommission, die von 2000 bis 2020 gültige Schutzschilder für die Übermittlung personenbezogener Daten von Europa in die USA darstellten, entwickelte sich über 20 Jahre sehendes Auges eine Abhängigkeit europäischer Unternehmen von US-amerikanischen Dienstanbietern wie Google, Microsoft, Facebook, Apple und Amazon. Mehrere Hundertausende europäische Unternehmen nutzen für ihre Infrastruktur Diensteanbieter aus den USA und Indien, denn die Nutzung der Dienste ist oft nicht oder im geringen Maße an ein Entgeld gebunden. Die Werthaltigkeit dieser geschäftlichen Verbindungen besteht stattdessen in der Übermittlung personenbezogener und geschäftlicher Daten an die Dienstleister.

    Mit den innerhalb der letzten 20 Jahre entwickelten und von der EU-Kommission unterstützen Abhängigkeit europäischer Unternehmen von der US-amerikanischen Infrastruktur werden diese alleine gelassen. Es fehlt an der Übernahme politischer Verantwortung auf europäischer Ebene. Die Kommission ist meiner Ansicht nach verpflichtet, den Aufbau europäischer Inrastruktur ergebnisorientierter zu fördern: Sei es mit der Gründung einer europäischen Organisation, die an die Stelle der US-amerikanischen Diensteanbieter tritt und europäische Netzwerke für Bürger*innen aufbaut und/oder gezielter Organisationen fördert, die bereits bestehen und z. B. europäische Suchmaschinen weiterentwickeln, die anders als Google Pinboards anbieten, die nicht die Nutzer*innenaktivitäten in Kleinstschritten speichern und verfolgen, um diese zu analysieren und die Nutzer*innen inhaltlich während ihrer Suchanfragen zu manipulieren. Dazu gehört auch, dass Regulierungen derart erfolgen und erfolgreich sind, indem Anhaltspunkte für physische und psychische Erkrankungen wie Anorexie nicht an Produktplatzierungen verkauft werden, die Erkrankungen der Nutzer*innen für eigene wirtschaftliche Interessen ausnutzen.

    Digitalisierung bedeutet eben auch, dass staatlicherseits Verantwortung für Datenmissbrauch übernommen wird. Der zweite Schritt nach dem EuGH-Urteil Schrems-II vom 16. Juli 2020 ist eine europäische Infrastruktur aufzubauen, zu unterstützen und zu beschützen, die den Bürger*innen und Unternehmer*innen in Europa dient und sie im dritten Schritt vor dem Missbrauch ihrer Daten schützt.