Zur Abschaltung von kleineAnfragen.de
Zum 31.12.2020 wurde kleineAnfragen.de abgeschaltet. Das haben wir schon im Mai 2019 angekündigt. Denn nach mehr als 5 Jahren Betrieb ist die Datensituation der Parlamente kein Stück besser geworden. Was jetzt?
In fünf Jahren wurden 118.370 Anfragen mit Antworten aus dem Bundestag und allen 16 Landtagen zugänglicher: saubere URLs, Volltextsuche, Feeds, Mail-Abos, Tabellen-Erkennung und markierte Leerstellen, wo Verschlusssachen nur in der Geheimschutzstelle einsehbar sind.
Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags hat wie auch Politiker:innen selbst kleineAnfragen-URLS in Dokumenten, Anfragen und Gutachten genutzt. Der Vorteil: kleineAnfragen bot eine Volltextsuche – im Gegensatz zu fast allen Parlamentsinfodiensten.
kleineAnfragen wurde genutzt von Lobbygruppen, Journalist:innen und Mitarbeitenden der Parlamente, in den Fraktionen und in der Parlamentsverwaltung. Obwohl sie die Vorteile des Systems kannten und der Endtermin feststand, haben sie sich kaum für offene Dokumente eingesetzt.
kleineAnfragen.de ist nun im Langzeitarchiv-Modus. Im Gegensatz zum behördenüblichen Vorgehen wollen wir keine URLs brechen oder einfach verschwinden - besonders, da Anfragen-URLs auch Wege in diverse wissenschaftliche Paper, Bücher und andere langlebige Dokumente fanden.
Bitte seht davon ab, kurzfristig zu denken »aber das ist doch OpenSource, ich betreibe das selbst unter neuer Domain weiter«. Das ist unterm Strich kontraproduktiv: Was die Parlamente selbst erledigen müssten, hängt dann an der nächsten externen ehrenamtlichen Instanz.
Denn unsere Frage ist: Hilft es überhaupt, wenn die Zivilgesellschaft beweist, wie es besser ginge? Aktuell betreiben Ehrenamtliche Infrastruktur und übernehmen die Aufgaben der öffentl. Hand. So ändert sich strukturell nichts, die Informationsangebote sind kaum benutzbar.
Der Landtag NRW betreibt Parlamentsspiegel.de; ohne maschinenlesbare Daten, ohne Suchsnippets, ohne API. Seit 2010 unverändert, obwohl hier die Dokumente aller Länder sein sollten. Im Mai ‘19 schrieben wir ihnen eine Mail. Wochen später kam ein Brief: “nicht zuständig”.
Was erwarten wir?
Wir wünschen uns ein System auf angemessenem technischen Stand. Dazu gehören Snippets, also Textausschnitte, mit denen wir bei der Suche schnell entscheiden können, ob uns das PDF interessiert – noch vor dem Öffnen. Eine Schlagwortsuche ist nicht zeitgemäß.
Wir erwarten eine API, die mit dem OParlOrg-Standard arbeitet. Erste Versuche von Parlamenten, einen regelmäßigen XML-Export ihrer Metadaten bereitzustellen, sind nett, aber praktisch kaum verwertbar. Wir wollen ein System, das sich Schritt für Schritt verbessert.
Ganz wichtig: Wir erwarten nicht den nächsten großen Wurf, der alles auf einmal löst, dann aber fünf Jahre zu spät kommt und over Budget ist. Wir erwarten, dass die öffentliche Hand ihr Versprechen einlöst und endlich agil wird.
Genau dafür wäre der Parlamentsspiegel ein gutes Beispiel für inkrementelle Verbesserung und OpenSource-Entwicklung. Es sind 16 Landesparlamente daran beteiligt, die jetzige Seite könnte sofort geöffnet und peu à peu von allen verbessert werden - bis dann ein Rewrite kommt.
Was wir bei kleineAnfragen gelernt haben
- Bei der Projektidee bereits aufschreiben, was passiert, wenn es nicht mehr betreut wird.
- Erforschen, was passieren muss, damit das Projekt überflüssig wird.
- Aus Datensicht, ganz klar: Viel früher Wikidata nutzen.
Mit den Daten von Wikidata wären informativere Seiten für Personen, Ministerien und Landtage möglich gewesen. Außerdem könnten so Ministerien, die in den Dokumenten falsch geschrieben wurden oder ihren Namen zwischenzeitlich geändert haben, besser zusammengeführt werden.
Wie gesagt: Die Daten von kleineAnfragen bleiben weiter online, sind offen und wer mag, kann sie weiterhin verwenden, auswerten oder aus dem Quellcode dahinter lernen. Wir haben gezeigt: Es funktioniert! Jetzt liegt es an der öffentlichen Hand.
Am Ende der Stilllegungs-Infoseite findet ihr E-Mail-Adressen der Parlamentspräsident:innen. Fragt diese - aber insbesondere eure Abgeordneten - gerne freundlich, wie sie die Situation jetzt verbessern wollen. Denn nun sind sie am Zug.
Danke für all die Jahre - mit einer Träne im Auge - @robbi5
Dieser Text wurde zuerst hier als Reihe von Tweets veröffentlicht.