Open Government in Deutschland: mehr zivilgesellschaftliche Beteiligung
In unseren westlichen Gesellschaften sinkt das Vertrauen in die Politik. Dabei spielt insbesondere auch die Intransparenz politischer Prozesse eine Rolle. Ein faktenbasierter öffentlicher Diskurs ist in Deutschland unter anderem häufig deswegen nicht möglich, weil Informationen zurückgehalten werden. Über Horst Seehofers sogenannten »Masterplan« wurde zum Beispiel monatelang diskutiert, ohne dass das Dokument je öffentlich war. Dabei hat die Bundesregierung mit dem Open Government Ansatz schon einen möglichen Lösungsansatz entdeckt, sie muss die Umsetzung in Deutschland aber auch flächendeckend verfolgen.
Open Government, auf Deutsch offenes Regierungs- und Verwaltungshandeln, ist ein ganzheitlicher Ansatz zur Belebung der Demokratie, dessen Ziel es ist, die Arbeit des öffentlichen Sektors transparenter, partizipativer und kooperativer zu gestalten. Der Ansatz basiert auf der Erkenntnis, dass der systematische Einbezug von Bürger*innen in politischen Entscheidungen zu einer Verbesserung staatlicher Leistungen führt.
Offene Daten als Grundlage
Die proaktive Bereitstellung von Informationen bildet die Grundlage für eine sinnvolle Beteiligung von Bürger*innen, denn nur wer ausreichend informiert ist, kann auch mitreden. Die Veröffentlichung von Offenen Daten (Open Data) ist ein Grundpfeiler von Open Government. Verwaltungen sollten nicht-personenbezogenen Daten wie bspw. Geo-, Haushalts-, oder Transportdaten veröffentlichen und ohne Einschränkungen nutzbar machen. Auf Bundesebene wird dies bereits durch das »Open Data Gesetz« geregelt, auf Landesebene sollen Gesetze folgen. Wichtig ist es, die Kommunen bei der Veröffentlichung der Daten zu unterstützen, um mehr Transparenz und Beteiligung zu ermöglichen.
Open Data liefert zahlreiche Beispiele für die Kooperation zwischen Verwaltungen und Zivilgesellschaft. Die Webseite politik-bei-uns.de, stellt Entscheidungen der Stadt- oder Landräte online bereit, macht diese durchsuchbar und visualisiert sie auf einer Karte. Der dafür notwendige Datenstandard stammt aus dem ehrenamtlichen Engagement der Open Data Community. Auf OffenerHaushalt.de können Haushaltsdaten visualisiert werden, um im Detail zu beantworten wofür der Staat wie viel Geld ausgibt. Auch hier kooperieren bereits Verwaltungen mit dem »Code for Germany« Netzwerk um die Daten zu visualisieren.
Ergebnisoffener Austausch
Nach der proaktiven Bereitstellung von Informationen gilt es die Einbindung der Zivilgesellschaft zu organisieren. Idealerweise werden Bürger*innen in alle Phasen der Politikgestaltung mit einbezogen: Von der Problemidentifizierung, Ideenfindung und Prioritätensetzung bis hin zur Umsetzung von Maßnahmen. Dabei sollte die Beteiligung der Öffentlichkeit möglichst mit der Problemidentifizierung beginnen, damit ergebnisoffen gearbeitet werden kann.
Dabei sollte darauf geachtet werden, dass Verwaltungsmitarbeiterinnen ein offenes Gespräch ermöglicht wird. Diese können selbst bei einem fachlichen Austausch nicht unabgestimmt Informationen an Externe herausgeben. Damit offene Beteiligung gelingen kann, ist es jedoch unabdingbar, dass offen gesprochen wird. Ein möglicher Schritt dies zu umgehen, ist die Einführung der »Chatham House Rule«, wonach die Teilnehmenden zwar Inhalte weitergeben dürfen, die Inhalte jedoch nicht den Teilnehmenden oder Institutionen zuschreiben dürfen. Ergebnisoffene Formate sind besonders wichtig um die Expertise der Bürgerinnen nutzen zu können.
Zudem sollten offene Dialogformate den Bürgerinnen die Möglichkeit geben sich digital und analog zu beteiligen. Die Stadt Brandis in Sachsen liefert mit ihrem Konzept der »Mit-Mach-Stadt« eine erste erfolgreiche Umsetzung. Hier können Bürgerinnen online Bebauungspläne einsehen und sich sowohl über eine Plattform als auch über analoge Formate beteiligen.
Labs als physische Experimentierräume schaffen
Wie Open Government in Deutschland funktionieren kann zeigt seit einigen Jahren »Code for Germany«. Code for Germany ist ein Netzwerk engagierter Freiwilliger häufig mit technischem Hintergrund, die ihre Fähigkeiten nutzen um ihre Städte und das gesellschaftliche Miteinander positiv zu gestalten. Es engagieren sich Entwicklerinnen, Journalistinnen und Designerinnen in über 26 Städten. Diese lokalen Gruppen bezeichnen sich als Open Knowledge Labs. Sie arbeiten gemeinsam an nützlichen Anwendungen und Visualisierungen rund um offene Daten und digitale Werkzeuge für Bürgerinnen.
Besonders gut funktionieren die Labs wenn der Austausch mit der städtischen Verwaltung eng und konstruktiv ist. So nehmen in Bonn, Köln und Düsseldorf regelmäßig Verwaltungsmitarbeiterinnen an Lab Treffen teil um offen über Herausforderungen zu sprechen, Daten bereitzustellen und im Lab Lösungen zu suchen. Dabei funktioniert der Austausch am Besten wenn physische Experimentierräume existieren, wie beispielsweise das Verschwörhaus in Ulm oder der Hackspace in Moers. Hier haben die Städte für ihre Bürgerinnen einen Raum geschaffen um gemeinsam an der Zukunft der Stadt zu arbeiten. In Berlin arbeitet die Open Knowledge Foundation Deutschland also Teil einer Initiative an der Einführung eines City Labs.
Partnerschaft der Regierung und Zivilgesellschaft
International ist Open Government bereits seit 2010 ein Thema, als der damalige US Präsident Obama einen Aufruf vor der UN Generalversammlung startete. Daraufhin wurde die »Open Government Partnership (OGP)« 2011 gegründet, eine internationale Initiative im Rahmen derer sich die Regierungen von 80 Ländern zur Umsetzung von Open Government verpflichten. Seit Dezember 2016 nimmt auch Deutschland an der Open Government Partnership teil. Zentrale Idee der OGP ist der Multistakeholder-Ansatz, bei dem Regierung und Zivilgesellschaft eines jeden Staates gleichermaßen beteiligt sind und die Idee einer Partnerschaft (engl. Partnership) etabliert.
Herzstück der OGP sind die nationalen Aktionspläne. Diese werden alle zwei Jahre gemeinsam mit der Zivilgesellschaft erarbeitet und von der Regierung verabschiedet. In Deutschland wurde der erste Aktionsplan im August 2017 verabschiedet. Entstanden ist dieser aus der Zusammenarbeit mit dem »Open Government Netzwerk«, einem Zusammenschluss von zivilgesellschaftlichen Organisationen und Einzelpersonen, der sich seit 2011 für die Förderung eines offenen Regierungs- und Verwaltungshandelns in Deutschland einsetzt und dem das Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement angehört.
Bundesländer und Kommunen besser einbinden
Dieser Aktionsplan entstand aus der Zusammenarbeit der Bundesregierung und der Zivilgesellschaft. Der Prozess begann mit einer Auftaktveranstaltung im Bundesministerium des Innern. Daraufhin hat das Open Government Netzwerk in analogen Veranstaltungen und dialogen Formaten (offene Pads) Ideen für mögliche Verpflichtungen gesammelt und dieser der Bundesregierung vorgelegt. Der erste Aktionsplan beinhaltet fünfzehn Verpflichtungen, dabei liegt der Schwerpunkt auf Open Data Themen, aber auch Transparenz in der Entwicklungszusammenarbeit, die Stärkung der Bürgerbeteiligung und digitale Beantragung des Familiengelds werden umgesetzt.
Im Sommer 2019 soll nun der zweite Aktionsplan folgen. Der Prozess wird mittlerweile vom Bundeskanzleramt organisiert und eine Auftaktveranstaltung ist bereits in Planung. Neben der Bundesebene können auch Bundesländer und Kommunen Selbstverpflichtungen einreichen. So hat zum Beispiel das Land Nordrhein-Westfalen bereits Ende Januar einen offenen Workshop zur gemeinsamen Ideensammlung mit der Zivilgesellschaft organisiert. Die Informationen zu Beteiligungsprozessen rund um den zweiten Aktionsplan sind auf unserer Webseite frei zugänglich. Dem Netzwerk können sowohl zivilgesellschaftliche Organisationen als auch Einzelpersonen beitreten.
Nachhaltiger Wandel der politischen Kultur
Zusammengefasst ist Open Government vor allem eine Methode, welche dabei hilft strukturiert mit aktuellen Problemen von Bürger*innen umzugehen. Dabei wird von der Problemstellung aus gedacht. Informationen werden gesammelt und transparent bereitgestellt und mit Hilfe von digitalen Tools wird eine breite Beteiligung der Zivilgesellschaft ermöglicht.
Richtig umgesetzt kann Open Government einen nachhaltigen Wandel der politischen Kultur hin zu einer Kooperationskultur zwischen dem öffentlichen Sektor und der Zivilgesellschaft bewirken, welche das Vertrauen in den Staat steigert. Zudem bietet sich die Chance, die Expertise der Bürgerinnen zu nutzen, um bessere Lösungen für Herausforderungen und Probleme zu finden. Im Idealfall profitieren von Open Government alle: Regierung, Verwaltung und Bürgerinnen.
Foto: OGP Georgia von Richard Pietro unter CC By 2.0