„Rohstoff der Zukunft“: Was bringt das Open-Data-Gesetz?

    Großes Treiben vor dem Wahlkampf im Bundesinnenministerium (BMI): In den nächsten Wochen will das Ministerium Eckpunkte zu einem Open-Data-Gesetz veröffentlichen, die bis zu den Wahlen im kommenden Jahr in einen Gesetzestext umgesetzt und vom Bundestag verabschiedet werden sollen - ein ambitionierter Zeitplan, nachdem die Koalition lange das Thema verschlafen hat.

    Das Gesetz soll die Öffnung der Bundesbehörden vorantreiben. Dafür müsste eigentlich kein eigenes Regelwerk geschaffen werden. Das Informationsfreiheitsgesetz, das Informationsweiterverwendungsgesetz und das Verwaltungsverfahrensgesetz wären eigentlich prädestiniert dafür, auch Open Data in der Bundesverwaltung zu regeln. Eine alternative Option wäre ein nationales Transparenzgesetz, auch um der zwanghaft technokratischen Herangehensweise der Verwaltung in Bezug auf Informationsfreiheit und Open Data zu begegnen.

    Ankündigung der Bundeskanzlerin

    Rhetorisch hat die Bundesregierung den Stein aber bereits ins Rollen gebracht. Bei der Generaldebatte im September kündigte Bundeskanzlerin Merkel an, ein Open-Data-Gesetz vorzulegen, “mit dem wir zeigen, dass der Rohstoff der Zukunft Daten sind und daher das 21. Jahrhundert entsprechend gestaltet werden muss.”

    Wie will die Bundesregierung also das 21. Jahrhundert gestalten?

    Vor allem durch die Förderung der Wirtschaft. Das BMI will mit dem Open-Data-Gesetz Startups fördern und öffentliche Daten für Unternehmen nutzbar machen. Dafür orientiert sich das Ministerium an technischen Vorgaben der International Open Data Charter. Kernanliegen dabei: Zusätzlich zu bisherigen freiwilligen Open-Data-Veröffentlichungen soll es künftig eine Veröffentlichungspflicht für bestimmte Datensätze bestimmter Bundesbehörden geben.

    Förderung der Wirtschaft alleine reicht nicht

    Davon erhofft sich das BMI vor allem einen Kulturwandel in der (Bundes-)Verwaltung hin zu einem Bewusstsein des Werts offener Daten. Das ist zwar wichtig, aber leider nicht genug: Das Open-Data-Gesetz muss sich danach ausrichten, welche Daten wertvoll für die gesamte Gesellschaft sind und von vielen Menschen als nützlich eingestuft werden. Dazu gehören zum Beispiel Daten aus Gutachten und Stellungnahmen, Verträgen der öffentlichen Hand und dem Handelsregister. Antworten auf Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) müssen grundsätzlich auch in maschinenlesbaren Formaten herausgegeben werden.

    Dabei ist es besonders sinnvoll, dass effektives Verwaltungshandeln in das Gesetz einbezogen wird. Erreicht werden kann das zum Beispiel über eine sogenannte Dog Food Policy: Verlangt eine Bundesbehörde im funktionalen Sinne demnach von einer anderen Bundesbehörde Daten, die prinzipiell geeignet sind, auch als Open Data veröffentlicht zu werden, erfolgt der Datenaustausch durch Upload auf einer Plattform wie GovData. Außerdem sollte das Open-Data-Gesetz festschreiben, dass die Herausgabe von Daten im Rahmen des IFG gleichzeitig auch eine Herausgabe an die Öffentlichkeit bedeutet, wie dies in den USA inzwischen der Fall ist (“Release to one, release to all”).

    Grundsätzlich gilt es, die internationale und lokale Kompatibilität der Daten und Systeme zu gewährleisten. Das heißt, es sollten keine nationalen Insellösungen hinsichtlich offener Lizenzen und Metadaten festgelegt werden, wie es aktuell der Fall ist. Auch wenn das Bundesgesetz Bundesländer nicht direkt einbezieht, sollte ein Erfahrungsaustausch zum Beispiel durch (interne) Round Tables, Schulungen und Workshops stattfinden. Zusätzlich möglich sind Förderungen für Open Data-Initiativen auf Länder- und Kommunalebene.

    Forderungen ans Gesetz

    Um ihren Namen wirklich zu verdienen, muss das Open-Data-Gesetz schon jetzt deutlich weiter reichende Regelungen treffen als bisher vorgesehen sind. Das Vertrauen auf Nachbesserungen in der kommenden Legislaturperiode alleine reicht dazu nicht. Sonst fördert das Gesetz nicht Open Data, sondern vor allem Open-Washing. Bisher läuft das Vorhaben Gefahr, nicht alle gesellschaftlichen Potentiale von Open Data zu adressieren und die Bereiche des öffentlichen Lebens außer acht zu lassen, die immense direkte Vorteile für die Bürgerinnen und Bürger bieten.

    Die gesammelten Forderungen der Open-Data-Community ans Open-Data-Gesetz:

    • Open by default: Gemäß des 1. Prinzips der von allen G8-Staaten ratifizierten Open Data Charter fordern wir eine automatische und proaktive Veröffentlichung offener Daten - unter Wahrung des Schutzes personenbezogener Daten - in regelmäßigen Abständen in einem übergeordneten bundesweiten Portal. Daten müssen aktuell sein Die Daten sollten einfach zu finden, maschinell suchbar, druckbar und kostenfrei sein und per Download im Internet heruntergeladen werden können.
    • Einheitliche Metadatenstruktur: Entsprechend der Verpflichtungen durch die G8 Open Data Charter, dem Aktionsplan zu deren Umsetzung und dem Koalitionsvertrag der 18 Legislaturperiode werden alle Daten mit einer einheitlichen Metadatenstruktur veröffentlicht, die internationalen Standards entspricht. Eigenständige nationale Regelungen werden zugunsten von internationalen Standards aufgelöst.
    • Maschinenlesbarkeit: Gemäß der Verpflichtungen durch die G8 Open Data Charter, dem Aktionsplan zu deren Umsetzung und dem Koalitionsvertrag der 18 Legislaturperiode müssen alle veröffentlichten Informationen in einem weiter verarbeitbaren Format vorliegen. Eine maschinelle Weiterverarbeitung muss gewährleistet sein und darf nicht durch eine plattformspezifische oder systembedingte Architektur begrenzt sein. Das Datenformat muss auf verbreiteten und frei zugänglichen Standards basieren und durch herstellerunabhängige Organisationen unterstützt und gepflegt werden. Eine vollständige Dokumentation des Formats und aller Erweiterungen muss frei verfügbar sein.
    • Geltungsbereich: Das Gesetz gilt für alle funktionellen Behörden und juristische Personen des Privatrechts, sofern sie öffentliche Aufgaben übernehmen oder öffentliche Dienstleistungen erbringen und dabei der Kontrolle des Staates unterliegen.
    • Finanzierung: Das BMI stellt die nötigen Finanzmittel zur Verfügung, um alle Behörden im funktionalen Sinne am Informationsregister zu beteiligen und die Möglichkeit zu schaffen, dass alle Bundesländer daran teilnehmen können. Es fördert eine einheitliche Dateistruktur.
    • Zuständigkeit: Das BMI wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung die zur Ausführung dieses Gesetzes erforderlichen Bestimmungen zu treffen, insbesondere zu Einzelheiten der Veröffentlichung wie konkrete Datenformate oder Verfahrensabläufe zur Erfüllung der Veröffentlichungspflicht.
    • Dog Food Policy: Verlangt eine Bundesbehörde von einer anderen Bundesbehörde Daten, die prinzipiell geeignet sind, auf GovData veröffentlicht zu werden, erfolgt der Datenaustausch durch Upload auf ein Datenportal.
    • “Release to one, release to all”: Sämtliche Daten, die im Rahmen des Informationsfreheitsgesetzes und des Umweltinformationsgesetzes an eine AntragsstellerIn herausgegeben werden, werden automatisch im Informationsregister veröffentlicht. Es ist möglich, eine Schutzfrist bis zur Veröffentlichung vorzugeben.
    • Offene Lizenzen: Den Verpflichtungen durch die G8 Open Data Charter und dem Koalitionsvertrag der 18 Legislaturperiode zufolge sind die Lizenzen der Daten offen. Das heißt, sie erlauben die kostenfreie Nutzung, Veränderung und Weiterverwendung und grenzen keine Nutzergruppe aus. Auch Nutzungsrechte für Gutachten, Studien und andere Dokumente, die in die Entscheidungen der Behörden einfließen oder ihrer Vorbereitung dienen, sind bei der Beschaffung von Informationen abzubedingen, damit sichergestellt ist, dass der freien Nutzung, Weiterverwendung und Verbreitung der Dokumente nichts entgegensteht. Die Daten werden mit den etablierten internationalen Lizenzen ausgezeichnet, z.B. Creative Commons (CC-0). Nationale Regelungen werden zugunsten von internationalen Standards aufgelöst.
    • Vergaberecht: Bei Neuanschaffungen (Software & Verträge) muss immer ein Open Data-Passus aufgenommen werden. Rechte für die Datenfreigabe bei externen Verträgen sowie eine Exportschnittstelle für offene Daten werden bei Softwarebeschaffungen ins Pflichtenheft geschrieben (machen andere Länder auch).
    • Urheberrecht: §5 Abs 2 UrhG wird abgeschafft. Er ist mit dem Bestreben, die Verwaltung im Rahmen von Open Data zu öffnen, nicht vereinbar. Schutzwürdige Interessen Dritter können weiterhin über andere Teile des UrhG sowie relevante Gesetze wie das BDSG sichergestellt werden. §5 Abs 1 UrhG ist um einen Passus zu ergänzen, der private Normwerke mit allgemeiner Verbindlichkeit amtlichen Werken gleich stellt..
    • Verträge der öffentlichen Hand ab einem Vertragswert von 50.000 Euro sind unter Berücksichtigung verfassungsrechtlich garantierter Rechte zu veröffentlichen.
    • Einbindung der Zivilgesellschaft: Zu veröffentlichende relevante Daten werden, wie im nationalen Aktionsplan der Bundesregierung zur Umsetzung der G8 Open Data Charta angekündigt, zusammen mit Stakeholdern aus der Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft ermittelt und schnellstmöglich veröffentlicht. Die Themenfelder werden über die im nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der G8 Open Data Charter festgelegten sechs Bereiche hinaus ausgeweitet.
    • Koordinationsstelle: Das BMI etabliert eine Koordinations- und Schiedsstelle für Open Data, die Ansprechpartner für die Verwaltung ist und etwa im Bereich von Lizenzen, Datenschutz, unklaren Zuständigkeiten und weiteren juristischen sowie organisatorischen Fragen berät. Zu den zentralen Kompetenzen der Koordinationsstelle gehört die Aus- und Fortbildung von Open-Data-Beauftragten und weiteren VerwaltungsmitarbeiterInnen. Zwar ist die Stelle in erster Linie für Bundesbehörden zuständig, kann aber auch von Behörden der Länder und Kommunen angerufen werden.
    • Berichterstattung und Evaluation: Bundesbehörden müssen regelmäßig über die Veröffentlichung und Verwendung (ausführliche Statistik) von Open Data berichten. Das Open-Data-Gesetz wird fünf Jahre nach Inkrafttreten evaluiert.
    • Anforderungsmöglichkeit: Das Informationsregister enthält die Möglichkeit, online anonym Datensätze anzufordern und direkt Rückmeldung zu veröffentlichten Datensätzen zu geben. Anfragen sollen automatisch als IFG-Anfragen gewertet, sofern dies den Prozess beschleunigt. Der Status der Anfragen wird online öffentlich nachvollziehbar dargestellt. § 1 IFG (2) Satz 2 wird ergänzt, um das Recht, sowohl die Art, als auch die Form des Informationszugangs zu bestimmen.
    • Informationsweiterverwendung: Es wird im IWG und ggf. UrhG klargestellt, dass das Generieren von Daten aus zuvor nicht maschinenlesbaren Datenquellen für amtliche Informationen legal ist.
    • Handelsgesetzbuch: Handels- und Vereinsregister sind gebührenfrei im Internet herunterzuladen.
    • Open Data Roundtable: Die Regierung etabliert auf Bundesebene einen Runden Tisch zu Open Data, in dem sich relevante Akteure aus Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft regelmäßig über den Fortschritt im Bereich Open Data austauschen. Auch die Kommunen sollten in diesen Austausch einbezogen werden. Zusätzlich kann es weitere Runde Tische auf kommunaler Ebene geben.
    • Gebühren: §2 der Gebührenordnung des IFG (IFGGebV) wird ergänzt um die Regelung, dass eine Gebühr für Auskünfte nur dann erhoben wird, wenn diese in der gesetzlich vorgeschriebenen Antwortfrist beim Antragssteller eingehen.
    • Erweiterung des IFG: §11 IFG wird um bestimmte Positionen ergänzt, darunter Gutachten und Stellungnahmen im Gesetzgebungsprozess. Es wird eine Veröffentlichungspflicht der Daten vorgeschrieben (“sollen” wird ersetzt durch “müssen”).
    • Aktenverständlichkeit: Aktenpläne und -Verzeichnisse werden so aufbereitet, dass auch NormalbenutzerInnen ein besseres Verständnis der Aktenlage gewinnen.