NRW veröffentlicht Erfahrungsbericht zu Open Data – mehr Fragen als Antworten
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Die Öffnung und Nachnutzung der eigenen Datenbestände findet sich als Forderung seit mehr als einem Jahrzehnt in Regierungsprogrammen und offiziellen Strategien. Dabei bleiben die genaue Ausgestaltung und die beabsichtigten Wirkungen oft diffus. Die Wirtschaft soll von einer besseren Datenbereitstellung profitieren, die Transparenz erhöht werden und im besten Fall die Verwaltungsarbeit unterstützt werden. Umso erstaunlicher ist es, wie selten offizielle Evaluationsmaßnahmen mit konkreten Fragestellungen Bestandteil von Richtlinien sind. Die wenigsten Bundesländer sehen überhaupt Open-Data-Fortschrittsberichte vor und wenn, dann nur als einmalige Überprüfung mehrere Jahre nach Inkrafttreten eines Gesetzes. Auf Bundesebene schreibt das E-Government-Gesetz in §12a Abs. 11 vor: “Die Bundesregierung berichtet dem Bundestag alle zwei Jahre über die Fortschritte bei der Bereitstellung von Daten durch die Behörden der Bundesverwaltung als offene Daten.“ „Alle zwei Jahre“ ist allerdings ein dehnbarer Begriff - der letzte Bericht erschien im Jahr 2019.
Veröffentlicht, aber schwer zu finden
Im Gegensatz zum Bund hat sich das Land Land Nordrhein-Westfalen erfreulicherweise an seine selbstgesetzten Vorgaben gehalten: Pünktlich Anfang Januar 2025 wurde über die Erfahrungen mit der Open-Data-Rechtsverordnung berichtet. Bemerkenswert sind allerdings die Rahmenbedingungen: Weder gab es eine Pressemitteilung des zuständigen Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung, noch findet sich auf dem eigenen Landesportal Open.NRW ein Hinweis auf den Erfahrungsbericht. Auch die Suche im Dokumentationssystem des Landtags nach „Open Data“ bleibt erfolglos, so dass man schon eine Ahnung haben muss, wo der Bericht veröffentlicht worden sein könnte, um ihn auch lesen zu können. Zudem bleibt die Urheberschaft im Dunkeln - ein Impressum fehlt.
Harte Zahlen und vage Kriterien
Das Dokument mit dem sperrigen Titel „OpenData: Erfahrungsbericht mit der Datenbereitstellung nach § 16a E-Government-Gesetz Nordrhein-Westfalen sowie mit der Umsetzung der Open Data-Verordnung Nordrhein-Westfalen“ offenbart bei näherer Betrachtung durchaus Interessantes. Neben der Ermittlung der entstandenen Kosten sollte der Bericht - sehr vage formuliert - die Erfahrungen der Verwaltung mit der Umsetzung der Verordnung sowie die volkswirtschaftlichen und wirtschaftsfördernden Effekte von Open Data erfassen.
Dafür wurden die für die Umsetzung der Open-Data-Verordnung zuständigen Personen, die Open-Data-Ansprechpartner:innen der Ressorts, befragt. Immerhin wurden mit der Verordnung zwölf unbefristete Vollzeitstellen geschaffen, je eine pro Ressort, die jeweils in der Zentralabteilung angesiedelt sind. Insgesamt lag der Personaleinsatz durchschnittlich bei 1,14 Vollzeitäquivalenten pro Ressort, wobei ein Viertel der Ressorts keine genauen Angaben dazu machen konnte.
Interessant ist die Schilderung des finanziellen Umfangs für Open Data im Rahmen der Verordnung. Die geschätzten einmaligen Kosten für die Umsetzung der Open-Data-Verordnung werden mit rund 20 Millionen Euro für die Jahre 2021 bis 2026 angegeben, zuzüglich einer Million Euro für den dauerhaften Betrieb.
Fehlende Ressourcen als Hindernis
Trotz dieser nicht unerheblichen Investitionen nennen die Befragten fehlende Ressourcen und fehlende Priorisierung des Themas als Haupthindernisse für die Umsetzung der Open-Data-Verordnung. Dahinter folgen mangelnde Akzeptanz und mangelndes Bewusstsein für Open Data sowie ein nicht erkennbarer Nutzen der Datenbereitstellung. Diese Diagnose deckt sich mit den Erfahrungen vieler im Open-Data-Bereich tätigen Menschen, allerdings versäumen es die Autor:innen, eine Detailebene tiefer zu gehen und konkrete Fälle aus den Ressorts zu schildern. So bleibt beispielsweise unklar, worauf sich „fehlende Ressourcen“ beziehen. Auf der Angebotsseite wird festgestellt, dass für eine „effiziente Datenbereitstellung und -aktualisierung“ ein nachhaltiges Datenmanagement in den Behörden erforderlich ist, derzeit aber nur ein Bruchteil der Daten automatisiert bereitgestellt wird. Nach § 16a Abs. 8 EGovG NRW sollen die Behörden insbesondere bei neuen Verträgen, Beschaffungen oder Prozessoptimierungen, bei denen Daten anfallen, darauf achten, dass auch die Bereitstellung der Daten unmittelbar mitgedacht wird. Hierzu wurde auch ein standardisiertes Verfahren mit Handreichungen entwickelt, das aber laut Bericht nur in weniger als einem Drittel bzw. einem Fünftel der Fälle angewendet wurde. Eine genauere Diagnose hierzu fehlt leider.
Ein Teil des Berichts ist den „volkswirtschaftlichen und wirtschaftsfördernden Auswirkungen“ von Open Data gewidmet. Dabei schränken die Autor:innen eingangs ein, dass das Potenzial von Open Data schwer zu quantifizieren ist und daher eher die Gesamtheit der Produkten, Dienstleistungen und Inhalten zu betrachten ist. Als Datengrundlage dienen neben Nutzungszahlen (also Downloads von Datensätzen) auch die Einschätzungen der Open-Data-Ansprechpersonen. Interessant ist hier vor allem die positiv wahrgenommene Wirkung von Open Data auf verwaltungsinterne Aufgaben, etwa durch die zentrale Veröffentlichung von Informationen über Fördermitteldaten, die von vielen verschiedenen Ressorts genutzt werden. High Value Datasets werden zwar in Kapitel 5 als Daten mit „besonderem Interesse für Anwendungen“ erwähnt, im Folgenden gehen die Autor:innen aber nicht dezidiert auf den Umsetzungsstand der hochwertigen Datensätze in NRW ein.
Viel Diagnose, wenig Folgerungen
Leider führen die vielen Diagnosen des Berichts nicht zu konkreten Beispielen für Handlungsempfehlungen. Hinweise wie das „Schärfen der Organisationsstruktur“ oder „das Vorantreiben der Digitalisierung von Verwaltungsabläufen, um die konsequente Umsetzung des Open-by-Design-Prinzips zu ermöglichen“ lesen sich angesichts von 40 Seiten Vorarbeit wie Platzhalter. Die richtige Empfehlung für mehr Standardisierung und Automatisierung bei der Datenbereitstellung bleibt zahnlos, wenn nicht genauer analysiert wird, warum etwa das eigens entwickelte Verfahren für Beschaffungen und Verträge, das eben dies zum Ziel hat, bislang kaum Anwendung findet.
Die Autor:innen erwähnen mehrfach, dass die Nutzung der Daten auch durch gesellschaftliche Akteur:innen gefördert werden soll - eine Einbeziehung z. B. der Perspektive der Zivilgesellschaft oder der Wissenschaft in den vorliegenden Bericht war jedoch nicht vorgesehen. Ebenso fehlen Hinweise auf mögliche gescheiterte Datenanfragen und eine genaue Analyse, warum bestimmte Daten nicht bereitgestellt werden können.
Unverständlich wird es, wenn es um die Kommunen geht, die in NRW derzeit von einer Veröffentlichungspflicht ausgenommen sind und daher im Bericht nur am Rande auftauchen. Auf welcher Datengrundlage die Autor:innen zu dem Schluss kommen, dass „in den meisten Kommunen aktiv Open Data statt [findet]“ bleibt unklar. Mit Verweis auf das Konnexitätsprinzip wird zudem pauschal von einer Ausweitung der gesetzlichen Veröffentlichungspflicht auf die Kommunen abgeraten.
Ausblick
Im Gegensatz zu Open-Data-Strategien sind Fortschrittsberichte über den Umfang der eigenen Open-Data-Maßnahmen in der deutschen Verwaltungslandschaft bislang eher rar gesät. Dabei können sie Hinweise auf Steuerungsmöglichkeiten geben und das Thema Open Data auch Außenstehenden etwas greifbarer machen. Wichtig ist, dass es in Nordrhein-Westfalen nicht nur bei dieser einmaligen Bestandsaufnahme bleibt, sondern die Verantwortlichen im Abstand von maximal zwei Jahren erneut den Status quo betrachten. Für die nächste Ausgabe empfehlen wir vorab zielgerichtete Fragestellungen zu erarbeiten und dabei auch aus den Erfahrungen dieses Berichts zu lernen: das Einbringen qualitativer Perspektiven, eine mögliche Fokussierung auf bestimmte Kerndatensätze und vor allen Dingen die Einbeziehung der Zivilgesellschaft können dafür erste Ansätze bilden. Unabhängig von den Ergebnissen sollte der Bericht auch stärker kommuniziert werden – da sich die Herausforderungen im Bereich Open Data überall ähnlich sind, können von so einem Bericht auch weitere Akteur:innen profitieren.