Das Dateninstitut kommt. Die Gemeinwohlorientierung bleibt fraglich
Das Dateninstitut wird kommen: Bis zum 4. Juli 2024 läuft die Frist für Bewerbungen für „Konzeptionierung, Gründung und Betrieb des Dateninstituts“. Mit diesem Startschuss löst die Ampel ein Versprechen aus ihrem Koalitionsvertrag ein. In Sachen Daten gibt es wahrlich viel zu tun. Gut, dass hier etwas passiert. Trotzdem haben sich Wikimedia Deutschland und die Open Knowledge Foundation Deutschland gegen eine Beteiligung an dem Bewerbungsverfahren entschieden. Im Weiteren erklären wir, welche Überlegungen zu unserer Entscheidung geführt haben und welche nächsten Schritte für ein gemeinwohlorientiertes Dateninstitut wichtig sind.
Datenexpertise dringend gesucht
Die Bundesregierung gibt in ihrer Datenstrategie vom letzten Jahr die Marschrichtung vor: Mehr Fortschritt durch mehr und bessere Daten. Die Ausgangslage ist dabei schwierig. Überall fehlt es an strukturierten Daten in hoher Qualität, um politische Entscheidungen zu flankieren oder auch umzusetzen. Das Klimageld konnte nicht ausgezahlt werden, es gibt keinen Überblick über alle Sozialleistungen und oftmals fehlt es auch am Verständnis darüber, was eigentlich Daten sind und wer diese pflegt. Die Datenlabore, die in allen Bundesministerien ab 2021 eingerichtet wurden, sollten den Ressorts ganz praktisch im Datenmanagement an die Hand gehen. Leider steht die Finanzierung schon wieder auf der Kippe, kaum dass sie ihre Arbeit aufgenommen haben. Dabei zeigen erste Erkenntnisse, dass die Arbeit durchaus sinnvoll ist. Es braucht also dringend mehr Datenexpertise und mehr Akteure, die mit guten Ideen in diesem Feld vorangehen. Kann das geplante Dateninstitut diese Hoffnung erfüllen? In der Entwicklungsphase des Dateninstituts wurde von politischer Seite immer wieder betont und in Aussicht gestellt, dass zivilgesellschaftliche Organisationen das Dateninstitut mit ihrer Expertise und Perspektive mit aufbauen sollen, zumindest als Teil eines Konsortiums. Wie gut ist das im Prozess bislang integriert?
Datenpolitik ist Gesellschaftspolitik. Die Gemeinwohlorientierung muss stark verankert sein
In den bisher ausformulierten Grobanforderungen für das Dateninstitut findet eine Gemeinwohlorientierung keine Erwähnung mehr. Auch wenn es verschiedenen beteiligten Politikschaffenden weiterhin ein Anliegen sein wird, eine Gemeinwohlorientierung einzubringen, ist es schwierig, diesen Auftrag aus der Ausschreibung konkret herzuleiten. Das bedeutet, dass wir viele Ressourcen einbringen müssten, um uns innerhalb eines großen Konsortiums mit ressourcenmäßig überlegenen Beteiligten, die wenig Fokus auf das Gemeinwohl haben, durchzusetzen. Eine stärkere Gemeinwohlorientierung geht nämlich oft zulasten der Profitabilität, die für viele sich beteiligende Unternehmen relevant ist.
Zudem sind wichtige Spielräume schon vorher eingeschränkt, zum Beispiel ist eine Vorgabe, dass das Dateninstitut spätestens in fünf Jahren eigene Einnahmen von mindestens 10 Prozent generieren muss. Entsprechende Geschäftsmodelle sind üblicherweise nicht mit freiem Wissen vereinbar, denn wo sollen solche Einnahmen herkommen wenn nicht aus Lizenzierung oder anderen Datenservices?
Rechtssicherheit des Betreibermodells sticht Ausprobieren von Ideen
Die Ausschreibung macht deutlich, was den beteiligten Ministerien am wichtigsten ist: Expertise in Gründungsfragen, bei juristischen Organisationsformen, beim Datenschutz sowie bei der Entwicklung von Geschäftsfeldern ist hauptsächlich gefragt. Eine der Überraschungen bei den Ausschreibungsunterlagen ist zudem, dass die Ministerien nicht nur - wie ursprünglich geplant - eine Konzeption für ein gutes Dateninstitut suchen, sondern einen Partner für das praktische Betreiben des Instituts, inklusive Gründung, Aufbau, Personalrekrutierung. Diese Aussicht ist der „Hauptgewinn“ für die teilnehmenden Konsortien. Für uns als zivilgesellschaftliche Organisationen ist das wenig attraktiv: Aufbau einer Institution als Dienstleistungsauftrag für den Staat?
Wenig freie Ressourcen, wenig Planbarkeit
Konzeptionierung, Gründung und Betrieb des Dateninstituts sind umfangreiche Aufgaben, die viele Personen aus unterschiedlichen Organisationen binden werden. Für zivilgesellschaftliche Organisationen wie unsere ist das eine große Herausforderung, da wir (anders als z.B. Beratungsunternehmen) keine freien Kapazitäten vorhalten (können). Dies betrifft die zeitintensive Teilnahme an der Ausschreibung, aber auch den auf fünf Jahre ausgelegten Betrieb. Die gleichzeitige Ausschreibung von Konzeption, Gründung und Betrieb ist unseres Erachtens daher nicht zielführend. Auch der immer wieder verschobene Zeitplan hat nicht dazu beigetragen, zivilgesellschaftliche Akteur:innen einzubinden. Beispielsweise wurde nach dem Marktdialog Anfang Juli 2023 eine Ausschreibung „nach der Sommerpause“ angekündigt, die nun im Mai 2024 kam. Die Anzahl der Menschen mit passender Expertise in unseren Organisationen ist begrenzt, und wir haben viele laufende Projekte und Themen, um die wir uns jeweils oft als einzige zivilgesellschaftliche Organisation kümmern.
Wettbewerbsverfahren kaum kompatibel mit zivilgesellschaftlicher Kooperation
Die beteiligten Ministerien wünschen sich möglichst intersektional aufgestellte Konsortien, um vielfältige Perspektiven der Datenbereitstellung und Datennutzung abzubilden. Das ist sehr begrüßenswert. Allerdings sind wir eher skeptisch, ob dies durch die Zusammensetzung der Konsortien zu schaffen ist, oder ob nicht eher später im laufenden Betrieb des Dateninstituts Partnerschaften mit unterschiedlichen Akteursgruppen geschlossen werden sollten. Unsere Erfahrung während der Anbahnung der Ausschreibung war es, dass insbesondere wirtschaftliche Akteure (z.B. Beratungsunternehmen) sehr klare Partikularinteressen vertreten (z.B. Monetarisierung von Services) und für die Antragstellung nur noch irgendeine zivilgesellschaftliche Organisation suchten. Dass die Ausschreibung zudem das Vorliegen von ähnlichen Erfahrungen verlangt, begünstigt zudem größere Unternehmen. Für eine Beteiligung am Verfahren müssten wir uns entscheiden, in welchem Konsortium wir uns einbringen, und über Non-Disclosure Agreements oder Ähnliches zusichern, unser Wissen nur für dieses Konsortium einzusetzen. Das widerspricht unseren Prinzipien als Zivilgesellschaft für ein transparentes Verfahren und offene Diskussion über diese wichtige Phase der Gründung des Dateninstituts. Deshalb werden wir unsere Expertise öffentlich allen zur Verfügung stellen, um eine gemeinwohlorientierte Ausgestaltung des Dateninstituts zu unterstützen. Auch an einem Austausch mit den Politikschaffenden sind wir weiterhin interessiert.
Unser Anliegen: Ein Dateninstitut für die Gesellschaft
Es ist uns ein Anliegen, dass das Dateninstitut die Bereitstellung und Nutzung von Daten für das Gemeinwohl fördert. Wir stehen für ein starkes, kompetentes und unabhängiges Dateninstitut, das Datenpolitik als Gesellschaftspolitik für Alle verständlich macht; es stellt Strukturen, Prozesse und Infrastrukturen in den Mittelpunkt, anstatt auf Einzelprodukte und kurzfristige Lösungen zu setzen; es ergänzt die bestehenden Organisationen und Strukturen sinnvoll und schärft damit das Daten-Ökosystem. Wir wünschen uns, dass der weitere Prozess möglichst transparent ist, damit auch zivilgesellschaftliche Akteure, die nicht in Konsortien beteiligt sind, eine gemeinwohlorientierte Ausgestaltung des Dateninstituts begleiten und unterstützen können.