Forderungen für eine gemeinwohlorientierte, demokratische Digitalpolitik
Die sechs Landtags- bzw. Abgeordnetenhauswahlen sowie die Bundestagswahl am 26. September geben dieses Jahr viele Anlässe, die Themen der OKF zu diskutieren und - wie wir aktuell besonders erleben - viel Nachholbedarf bei Open Government und Co. auf Seiten von Staat und Verwaltungen.
Deshalb haben wir uns mit unseren Forderungen für eine offene, inklusive und gerechte Gesellschaft an Mitglieder aller demokratischen Parteien gewandt. Wir stehen ein für eine starke Demokratie, in der sich staatliches und gesellschaftliches Handeln am Gemeinwohl orientieren. Digitale Technologien können uns dabei helfen. Aber dafür müssen wir sie aktiv gestalten. Wie wir uns das vorstellen, könnt ihr im Folgenden in unseren Forderungen für eine starke Zivilgesellschaft, eine nachhaltige digitale Infrastruktur, einen transparenten Staat und Offene Bildung nachvollziehen.
Hier findet ihr auch das vollständige Dokument und unsere Ideen zur Gestaltung Offener Bildung, die wir zusätzlich als Gesprächsangebot an die Bildungsausschüsse der Länder, in denen gewählt wird, versendet haben.
Helft mit, diese Forderungen weiter zu verbreiten und zu ergänzen!
Zivilgesellschaftliche Expertise nutzen und Digitales Ehrenamt fördern
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Bevor Technologien entwickelt werden oder zum Einsatz kommen, soll eine partizipative Technikfolgenabschätzung unter Einbeziehung von Expert:innen der Zivilgesellschaft erfolgen. Dabei sollen insbesondere Kriterien für den gesellschaftlichen Mehrwert einer Anwendung berücksichtigt werden. Dies sind u. a. die Gemeinwohlorientierung, der Einsatz von Open-Source-Software, der Einbezug besonders vulnerabler Gruppen in der Entwicklung sowie die Barrierefreiheit. Das Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag kann diesen Prozess gestalten.
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Um die Arbeit der digitalen Zivilgesellschaft langfristig gut aufzustellen und auf ihre Expertise zurückgreifen zu können, braucht es eine finanzielle Grundförderung und gesetzliche Rahmenbedingungen für ein digitales Ehrenamt, wie es das auch für andere Ehrenamtsformen in Deutschland, z. B. im ehrenamtlichen Zivil- und Katastrophenschutz, gibt. Hier gilt es, auch zivilgesellschaftliche Communities wie Offene Werkstätten in die Förderlandschaft zu integrieren, die nicht in der bisherigen Projektförderlogik funktionieren.
Staatliches Handeln transparent machen: Mehr Informationsfreiheit und Rechtsanspruch auf Offene Daten erwirken
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Wer es mit der Offenen Regierungsführung wirklich ernst meint, muss auch die nötigen Durchsetzungsmöglichkeiten bei der Informationsfreiheit schaffen. Es ist höchste Zeit, das Informationsfreiheitsgesetz zu einem echten Transparenzgesetz weiterzuentwickeln, das auch einen Rechtsanspruch auf Offene Daten beinhaltet. Darüber hinaus soll Deutschland die internationale Tromsø-Konvention unterzeichnen, um das Recht auf Zugang zu amtlichen Dokumenten auch völkerrechtlich zu verankern.
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Öffentliche Daten sind Gemeingut und sollen standardmäßig als Offene Daten zur Verfügung gestellt werden. Insbesondere sollten solche Daten, die demokratische Kontrolle möglich machen, öffentlich einsehbar, maschinenlesbar und mit Offenen Schnittstellen automatisiert abrufbar sein. Hierzu zählen u. a. Verträge für steuerlich finanzierte Aufträge, Plenarprotokolle, Dokumente und Anträge im Bundestag. Grundsätzlich sollten aber alle Verwaltungsdaten veröffentlicht werden, sofern keine datenschutz- oder urheberrechtlichen Ausschlussgründe vorliegen.
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Die Weiterverarbeitung und Nachnutzung von Daten sollen als zentrale Kriterien in Förderbedingungen des Bundes aufgenommen werden. Im Sinne von “Public Money, Public Code” soll dies auch gelten, wenn Steuergelder in die Entwicklung von Software fließen. Diese soll grundsätzlich als Open-Source-Software lizenziert, ins Open-Source-Ökosystem integriert sowie offen dokumentiert und ohne Barrieren veröffentlicht werden. Dies muss auch bei der Umsetzung des OZG dringend berücksichtigt werden. Wegen ihrer Vorteile in Bezug auf Weiterverarbeitung und Nachnutzung soll Open-Source-Software zudem in der Vergabe bevorzugt berücksichtigt werden. Diesen Grundsatz hat Frankreich bereits 2012 eingeführt.
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Analog soll dies für Offene Hardware gelten: Öffentlich finanzierte Technologien werden öffentlich dokumentiert und damit neuen Anwendungsfeldern zugutekommen.
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Zentral ist es, dass bei Offenen Daten, Open-Source-Software und Offener Hardware ein diskriminierungsfreier Zugang über entsprechende Schnittstellen geschaffen wird. Dies befördert Innovation und beugt Monopolbildung vor.
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Registerdaten sollen in den Geltungsbereich des Open-Data-Gesetzes aufgenommen werden. Diese Daten - auch personenbezogen - sind im Interesse der Allgemeinheit sinnvoll zu öffnen. Dies ist bereits gute Praxis in vielen europäischen Ländern. Die Öffnung der Registerdaten ist ein wirtschaftlicher Vorteil und eine der Kernforderungen der globalen Open Government Partnership, in dessen Lenkungskreis die Bundesregierung seit 2019 sitzt und damit auch eine Vorbildfunktion einnimmt.
Nachhaltige Strukturen für eine gemeinwohlorientierte Digitalpolitik und souveräne Tech-Infrastruktur schaffen
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Für die Erreichung von mehr staatlicher bzw. europäischer digitaler Sicherheit, Resilienz und Souveränität muss der Staat die Entwicklung und Pflege Offener Basistechnologien des Internets in seine Daseinsvorsorge aufnehmen und Instandhaltung und Absicherung dieser digitalen Infrastrukturen aktiv fördern. Dafür soll eine nachhaltige und unabhängige Förderung von Open-Source-Infrastruktur nach Vorbild des Open Technology Fund eingerichtet werden. Ein solches Förderinstrument soll sich vornehmlich mit Validierung, Skalierung, Absicherung und Instandhaltung befassen. Dabei soll berücksichtigt werden, dass Open-Source-Infrastruktur zu einem großen Teil von freien Entwickler:innen und Communities gestaltet wird und Förderung für Einzelpersonen und kleine Teams strukturell möglich sein soll. Eine geeignete Trägerform für dieses Förderinstrument ist zu identifizieren, ggf. analog zur SprinD.
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Erfolgreich erprobte, gemeinwohlorientierte Projekte (Proof of Concept), die aus der Zivilgesellschaft heraus entstanden sind, sollen bei den zuständigen Behörden zeitnah aufgenommen und verstetigt werden können. Dazu zählen z. B. Projekte wie kleineanfragen.de oder datengui.de. Sie zeigen auf, wie Daseinsvorsorge der öffentlichen Hand für die Gesellschaft nutzbringend umgesetzt werden kann. Es braucht einen Prozess und klare Zuständigkeiten, solche Übernahmen anzubahnen und umzusetzen.
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Die konsequente Verwendung Offener Lizenzen bei staatlich geförderten Produkten muss durchgesetzt werden. Dies bezieht sich auch auf Forschungsergebnisse, die unter diesen Bedingungen Innovationen erwirken. Wir haben in der Coronapandemie erlebt, dass dies u. a. für medizinische Hardware von großer Bedeutung ist. Auch in Bereichen von Ernährungssicherheit und Biotechnologien spielen Offene Lizenzen eine zunehmende Rolle. Die Erfahrungen der Open-Source-Bewegung mit Freier Lizenzierung können hier sinnvoll auch auf andere Anwendungsgebiete übertragen werden.
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Nachhaltige Strukturen müssen auch den ökologischen Fußabdruck berücksichtigen. Reparatur und Weiterverwendung werden dabei eine immer größere Rolle spielen. Wir fordern daher ein Recht auf Reparatur für elektronische Geräte (in Frankreich gibt es beispielsweise einen Reparierbarkeitsindex) und darüber hinaus eine Dokumentationspflicht der Hersteller für die praktische Umsetzung dieses Rechts.
Bildung Offen gestalten: Partizipative Bildungsstrukturen durchsetzen und lebenslanges Lernen ermöglichen
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In einer von Technologien durchdrungenen Gesellschaft müssen Menschen aller Altersgruppen im Sinne einer Offenen Technologiebildung befähigt werden, sich selbstbestimmt und kritisch mit der Nutzung digitaler Medien und Technik auseinanderzusetzen. Die “Initiative Digitale Bildung” der Bundesregierung und der damit verbundene Aufbau einer Nationalen Bildungsplattform sollen deshalb hauptsächlich auf freie Bildungsmaterialien (Open Educational Resources, OER) setzen, um Vielfalt der Materialien, Zugangsgerechtigkeit und Aktualität zu sichern.
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Mit OER können sich mehr Menschen an der Vermittlung und Gestaltung von Wissen beteiligen und Materialien besser an die Bedürfnisse und Interessen der Lernenden anpassen. Es existieren bereits zahlreiche Plattformen und Suchmaschinen für OER. Es mangelt allerdings an qualitativ hochwertigen und gut dokumentierten Konzepten. Wir schlagen deshalb die Einrichtung eines Documentation Fund für OER vor. Dieses Förderprogramm soll sich an Lehrende in schulischen wie auch zivilgesellschaftlichen Kontexten richten, die zusammen in regionalen Kompetenznetzwerken OER erstellen, prüfen, überarbeiten und veröffentlichen.
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Eine kritische Auseinandersetzung mit Technologien lässt sich insbesondere mit dem Einsatz von Offenen Geräten (Open Hardware) und Offener Software (Open Source) in Lernprozesse integrieren. Damit erweitern Lernende die Perspektive – von der reinen Nutzung zum Verstehen und Reflektieren.
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Speziell im Bereich Jugendbildung braucht es eine nachhaltige, verlässliche und langfristige Förderung von jugendlichem Engagement sowie pädagogischen und technisch geschultem Personal, das Jugendliche in physischen und digitalen Lernräumen begleitet. Entsprechende Förderprogramme sollten bereits bestehende, erfolgreiche Projekte unterstützen, statt immer neue Modelle zu fördern.