Open Government Partnership Summit 2013: "Wo ist eigentlich Deutschland?"
Über 1000 Delegierte aus mehr als 62 Ländern versammelten sich letzte Woche beim Open Government Partnership Summit 2013 in London, um an konkreten Ideen und Maßnahmen für effizienteres und transparenteres Regierungshandeln zu arbeiten. An dem Gipfel nahmen Vertreter von Regierungen und zivilgesellschaftlichen Organisationen teil, deren Länder zusammen rund 2 Milliarden Menschen ausmachen. Die Initiative Open Government Partnership (OGP) wurde im September 2011 von den Regierungen der USA und Brasiliens ins Leben gerufen und zusammen mit sechs weiteren Nationen gegründet. Ziel der OGP ist die Stärkung von Transparenz, Rechenschaftslegung, Bürgerbeteiligung und Korruptionsbekämpfung. Trotz mehrfacher Aufforderung durch die Zivilgesellschaft ist Deutschland noch nicht beigetreten.
Zusagen für mehr Transparenz, Rechenschaftspflicht und bürgerschaftliches Engagement
Die Delegierten bzw. die OGP-Staaten, die sie vertreten, brachten über 1078 konkrete Zusagen und Verpflichtungen für offenes Regieren mit nach London, die über zwei Tage hinweg diskutiert und kommentiert wurden. In über 50 Workshops, regionalen und thematischen Arbeitsgruppen und Vorträgen wurde an Möglichkeiten und Lösungen hin zu besserem und transparenten Regierungshandeln gearbeitet. Die Vertreter von Regierung, Zivilgesellschaft, Medien und internationalen Organisationen wie Weltbank, OECD und UN teilten Erfahrungen aus ihren jeweiligen Ländern und zeigten an Hand von Beispielen, wie offenes Regieren öffentliche Dienstleistungen verbessern, das Wirtschaftswachstum ankurbeln oder Armut und Korruption verringern kann. Vorangegangen war der CSO-Day auf dem sich die über 400 international vertretenen zivilgesellschaftlichen Akteure austauschen, vernetzen und voneinander lernen konnten.
Die Verpflichtungen sowie deren Einhaltung und Fortschritt werden durch den unabhängigen Reportmechanismus (IRM) der OGP überprüft. Bereits die ersten IRM-Reports der acht Gründungsmitglieder zeigen, dass 49% der 175 Verpflichtungen erfolgreich implementiert wurden, 44% noch in Arbeit sind und nur 7% bisher nicht adressiert wurden. Beispielhaft verpflichtete sich jedes OGP-Mitglied im Rahmen des Gipfels eine zusätzliche Verpflichtung zu erfüllen. So versprach der britische Premierminister am ersten Tag der Veranstaltung die zeitnahe Öffnung des britischen Unternehmensregisters.
Mit Neuseeland und Sierra Leone kündigten im Rahmen des Summits zwei weitere Staaten ihren Beitritt zur OGP im April 2014 an. Darüber hinaus wurden die Open Government Awards vorgestellt. Besonders herausragende Initiativen zur Öffnung von Regierungs- und Verwaltungshandeln sollen zukünftig im Rahmen der OGP ausgezeichnet werden.
“Wo ist eigentlich Deutschland?”
Mo Ibrahim, ein britisch-sudanesischer Mobilfunkunternehmer, der sich für gute Regierungsführung in Afrika einsetzt, fragte im Plenarsaal die versammelten Delegationen: “Wo ist eigentlich Deutschland?” Die Frage ist berechtigt, denn mittlerweile beteiligen sich neben den acht Gründungsstaaten über 50 weitere Nationen, darunter Schweden, Großbritannien und Mexiko. Deutschland ist trotz eigener Initiativen zur Öffnung von Verwaltungsdaten wie GovData bis heute kein Mitglied. Dabei könnte ein Beitritt die Datenlage von GovData verbessern und ein wichtiger Impuls für die Bündelung einzelner Anstrengungen auf Bundes- und Landesebene sein.
Ein Beitritt Deutschlands zur OGP würde darüber hinaus helfen, um mit dem Rückhalt in der Politik und in Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft, weitere relevante Daten zu öffnen und den Prozess hin zu echtem Open Government voranzutreiben. Viel wichtiger aber: Die OGP würde einen konstanten Dialog und eine strukturierte Kooperation speziell im Bereich von Open Government und darüber hinaus zwischen Zivilgesellschaft und Regierung im Allgemeinen einfordern. Trotz mehrfacher öffentlicher Aufforderung der deutschen Zivilgesellschaft, ist die Bundesregierung jedoch bisher noch nicht der OGP beigetreten.
Dabei würde der Beitritt nicht nur Deutschland helfen, sondern auch der OGP: Ein Beitritt ist eine zwingend notwendige Voraussetzung, um der deutschen Verantwortung für ein transparenteres Regierungshandeln nicht nur national, sondern auch international gerecht zu werden.
Open Government und staatliche Überwachung
Als die indische Menschenrechtsaktivistin Aruna Roy die Frage stellte, auf die alle gewartet hatten, herrschte im Publikum für einen kurzen Moment angespannte Stille. Auf eindrückliche Art und Weise erläuterte sie den unmittelbaren Zusammenhang Open Government und den umfassenden Ausspähaktionen von Geheimdiensten, um im Anschluss ihre beiden Diskussionspartner, den amerikanischen und den britischen Außenminister, um ein Statement zu bitten.
Die Reaktion ihres Diskussionspartners John Kerry hat international für Schlagzeilen gesorgt: Zum ersten Mal überhaupt hat die US-Regierung öffentlich zugegeben, dass die Spionageaktionen der NSA zu weit gegangen sind (“And yes, in some cases, it has reached too far inappropriately”). Aufklärung und Besserung wurden versprochen.
Überwachung als Thema auf dem Summit
Staatliche Überwachung, Bürgerrechte und Datenschutz wurden jedoch nicht nur zwischen Kerry und Roy diskutiert, sondern waren ebenso Gegenstand von Workshops, u.a. Government Open and Shut: Transparency, Privacy and Mass Surveillance und Whistleblower Protection and Open Government. Auch Tim Berner-Lee, Erfinder des World Wide Web und prominenter Befürworter von Open Data, hat in seiner Rede zum Abschluss der Konferenz auf die negativen Konsequenzen einer massenhaften Überwachung auf die Demokratie hingewiesen.
Fazit: Lass Worten Taten folgen!
In London konnte sich die OGP durch ein starkes Engagement der britischen Regierung weiter professionalisieren und verstetigen. Dennoch bleibt abzuwarten, wie die Partnerschaft in den einzelnen Ländern verankert werden kann und wie stark die politische Unterstützung bei der Umsetzung der ambitionierten Pläne in der Realität ist. Es gibt auch Kritik an der OGP, vor allem die fehlende Sanktionsmechanismen stellen eine Herausforderung bei den gemeinsam mit der Zivilgesellschaft erarbeiteten Umsetzungsplänen dar. Der Summit in London hat dennoch gezeigt, dass die OGP zunehmend ein internationales Forum für die Themen Überwachung, Datenschutz und Schutz von Bürgerrechten ist. Deutschland könnte hier als OGP Mitglied eine Führungsrolle spielen und gemeinsam mit anderen Staaten die Debatte rund um diese Themen auf internationaler Ebene dauerhaft verankern.
In einem Zeitalter, in dem Regierungen und Unternehmen immer mehr private Daten sammeln, bedarf es klarer Regeln und effektiver Mechanismen, um die Rechte und den Schutz des Einzelnen zu garantieren. Deutschland hat international den Ruf einer Nation, in dem Datenschutz und Schutz der Privatsphäre einen hohen Stellenwert haben. Die Erfahrungen, die Deutschland bei der Entwicklung von Gesetzen und Institutionen diesbezüglich gemacht hat, dürfte anderen Nationen von großem Nutzen sein.
Disclamer: Dieser Beitrag entstand in Zusammenarbeit von Christian Heise (Open Knowledge Foundation Deutschland e.V. / Arbeitskreis für den Beitritt Deutschlands zum Open Government Partnership) und Andreas Pawelke (arbeitet derzeit an Open Data Projekten u.a. für die World Wide Web Foundation), beide waren beim Open Government Summit 2013 in London mit dabei.