OffenesParlament - was passiert im Bundestag?
Schon seit langem wünsche ich mir eine Seite wie TheyWorkForYou oder OpenCongress für Deutschland. Ein Portal, auf dem man einfachen Zugang zu den Plenarreden und Arbeitsabläufen des Bundestags bekommt und so deutlich macht, was gerade am Platz der Republik 1 beraten und beschlossen wird – und noch jede Menge andere W-Fragen beantwortet und kontextualisiert.
Im Gegensatz zum etablierten Abgeordnetenwatch, das den Schwerpunkt stark auf die Handlungen und Positionen des einzelnen Parlamenterariers legt, soll der Fokus als Organ, als Prozess, als Handlungsraum liegen. Stefan hatte dazu vor einigen Jahren mit dem Bundestagger einen ersten Aufschlag gemacht - jetzt will ich mit OffenesParlament noch einen Versuch wagen.
Warum das Ganze? Nunja, ich glaube OffenesParlament hat einige spannende Funktionen:
- Die Seite stellt Plenardebatten in einem übersichtlichen Format dar und verknüpft dabei einzelne Redebeiträge, so dass auch die maschinenlesbare Semantik der Debatten erhöht wird.
- Schon einmal versucht, in der offiziellen Bundestagsseite genau die eine interessante Drucksache zu finden? Mit der OffenesParlament-Suche sollte das Ganze wesentlich bisspurenärmer funktionieren.
- Die Abo-Funktion erlaubt es, den Aktivitäten einzelner Politiker, in einem Gesetzgebungsprozess oder zu einem bestimmten Schlagwort zu folgen.
Dabei läuft das Projekt OffenesParlament mittlerweile seit fast einem Jahr - es ist nur nie fertig geworden. Denn der Teufel steckt hier im Detail: immer wieder scheitert die Analyse der Debatten, dann blockiert der Bundestag meine Server-Adresse und zuletzt wurde sogar die Veröffentlichung der Plenarprotokolle als Textdateien eingestellt (die Bereitstellung der Protokolle bricht daher irgendwo Mitte März ab, ich hoffe hier noch auf Hilfe vom Bundestag).
Dazu kommt die Komplexität des Themas: welche Drucksache wird grade diskutiert? Ist Wolfgang Thierse grade Sprecher für die SPD oder Sitzungsleiter des Plenums? Sind Siegfried und Volker Kauder nicht vielleicht doch die gleiche Person (und warum ändern Ministerinnen auf einmal ihren Namen)?
Das führt am Ende zu der Feststellung: wahrscheinlich wird OffenesParlament nie fertig sein, es wird immer eine Baustelle bleiben. Aber: wenn ich schon an dieser Baustelle am Werk bin, warum sollen nicht andere Nutzen daraus ziehen können? Vielleicht hat sogar jemand Lust einen Spaten anzufassen. Schließlich offenbart die „perpetual beta“ hinter OffenesParlament sogar eine Parallele zur Politik als Prozess, nicht als fester Gegenstand.
Große Konstruktionslöcher sind sicherlich die Darstellung der Ausschussarbeit und die Verknüpfung von Plenardebatten und Abläufen/Drucksachen. Ein weiteres Feature, dass ich gerne entstehen sehen würde: Dossiers. Hier könnten zu politischen Themenkomplexen verwandte Beiträge - also Reden, Anfragen, Gesetzentwürfe und Fachpolitiker zusammengestellt werden. Solche Dossiers könnten eine sinnvolle Grundlage für politische Debatten und Recherche bieten - als Ort zum Sammeln, Vergleichen und Nachgucken.
Doch auch mit dem derzeit vorhandenen Umfang, sowohl funktional als auch inhaltlich, bietet sich für jeden Politik-Geek oder Rechercheur die Gelegenheit, sich in den Tiefen und Längen unterm Adler zu verlieren und zu bereichern. In diesem Sinn: willkommen im virtuellen Parlament.
_Beitrag von Friedrich Lindenberg und Christian Burtchen. _