Innovation geht nicht ohne Offenheit & Partizipation

    Wir sind davon überzeugt, dass die Bewältigung der gesellschaftlichen und globalen Herausforderungen nur gelingen wird, wenn das Innovationssystem auf den Prinzipien der Offenheit und Partizipation beruht. Die derzeit von der Bundesregierung ressortübergreifend entwickelte Zukunftsstrategie Forschung und Innovation ist jedoch zu stark auf wirtschaftlichen Erfolg fokussiert. Hier muss nachgebessert werden.

    Im Bündnis F5 (Algorithmwatch, Gesellschaft für Freiheitsrechte, Open Knowledge Foundation Deutschland, Reporter ohne Grenzen, Wikimedia Deutschland) haben wir im Rahmen der Online-Konsultation des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) eine Stellungnahme auf die vorgegebenen Fragen zur „Zukunftsstrategie Forschung und Innovation“ abgegeben. Die OKF fordert insbesondere folgende Punkte in der Zukunftsstrategie zu berücksichtigen:

    1. Forschungsinfrastruktur: Open, Open, Open

    Im bisherigen Strategieentwurf fehlen Ansätze für eine offene und transparente Forschung, die üblicherweise unter dem Oberbegriff Open Science zusammengefasst werden. Eine transparente und offene Wissenschaft ist eine Grundvoraussetzung für die Entstehung von Wissen in einer Demokratie. Die Voraussetzungen für Open Science schaffen Open Data und Open-Source-Software – auf diesen Themen sollte ein weitaus größerer Fokus der Zukunftsstrategie liegen. Auch Open Hardware (reparierbare, nachvollziehbare und reproduzierbare Hardware, die im öffentlichen Interesse steht) gilt es vermehrt zu fördern. Mehr dazu im Artikel “Zukunftsstrategie Forschung und Innovation: unsere Forderungen für Open Hardware”. Diese bringen auch weitreichende Vorteile im Bereich Klima- und Ressourcenschutz mit sich: So ermöglicht die Bereitstellung von Klima- und Geodaten als Open Data die Entwicklung von Civic Tech Anwendungen, die klimaschonende, umweltverträgliche und sozial gerechte Mobilitätslösungen fördern und zu einem besseren Klima in der Stadt beitragen. Mit Open-Source-Software kann Code zudem mehrfach genutzt werden. Open Hardware schafft die Basis zur Reparatur und Weiterverwendung. Gleich mitgedacht werden muss bei der Forschungsinfrastruktur auch die Nutzung offener Standards. Offene Standards maximieren die Interoperabilität. Neben technischen Vorteilen haben offene Standards auch klare gesellschaftliche Vorteile: offene Standards erhöhen Transparenz und ermöglichen demokratische Teilhabe sowie eine bessere Kontrolle politischen Handelns. Hinzu kommen Vorteile für die Wirtschaft, denn sie fördern Innovationen und verhindern die Abhängigkeit von einzelnen Herstellern. Für die Erreichung von mehr staatlicher bzw. europäischer digitaler Sicherheit und Resilienz muss der Staat die Entwicklung und Pflege offener Basistechnologien des Internets in seine Daseinsvorsorge aufnehmen. Er darf nicht nur die Innovationskraft, sondern muss auch die Instandhaltung und Absicherung dieser digitalen Infrastrukturen aktiv fördern. Mit der Einrichtung des Sovereign Tech Fund ist hier ein guter Grundstein gelegt worden.

    2. Partizipation ermöglichen und fördern

    Um mehr Beteiligung im Bereich Forschung und Innovation zu erreichen, braucht es einen leichteren Zugang zu mehr Wissen. Open Access ist hier das Schlagwort. Open Access als Bestandteil von Open Science senkt die Barrieren zur Beteiligung an Wissenschaft, da auch nicht akademisch aktive Menschen umfassenden Zugang zu Forschungsergebnissen bekommen. Auch der Innovationsbegriff ist im Austausch zu entwickeln und nicht rein wirtschaftlich zu verstehen: Bevor Technologien entwickelt werden oder zum Einsatz kommen, soll eine partizipative Technikfolgenabschätzung unter Einbezug von Expert:innen der Zivilgesellschaft erfolgen.

    3. Kriterien bei der Vergabe von Fördergeldern anpassen

    Prinzipien, Praktiken und Voraussetzungen der offenen Wissenschaft sollten häufiger zur Bedingung für die Vergabe von Fördermitteln gemacht werden. Die Möglichkeit, Daten weiterverarbeiten und nachnutzen zu können, sollte als zentrales Kriterium in die Förderrichtlinien des Bundes aufgenommen werden. Im Sinne des Prinzips „Public Money, Public Code“ soll das auch gelten, wenn für die Entwicklung von Software Steuergelder aufgewendet werden. Diese soll dann grundsätzlich als Open-Source-Software lizenziert, ins Open-Source-Ökosystem integriert, offen dokumentiert und ohne Barrieren veröffentlicht werden. Auch reparierbare, nachvollziehbare und reproduzierbare Hardware (Open Hardware) sollte vermehrt gefördert werden – Förderrichtlinien sollten Anträge, in denen technische Entwicklungen als Open Hardware geplant sind, bevorzugen. Die Möglichkeit zur Reparatur und Weiterverwendung spielt für die Ressourceneffizienz und den ökologischen Fußabdruck eine große Rolle.

    4. Offene Technologiebildung stärken

    In der Hochschullehre sollen Kompetenzen im Umgang mit und für die Entwicklung von offenen Technologien gefördert werden. Statt teurer Lizenzverträge sind Investitionen in freie Software und Open-Source-Software voranzutreiben – gegen Monopole, für mehr Innovation und nied­rig­schwel­lige, kostengünstige Entwicklungsumgebungen. Wissenschaftliche Basistechnologien (z.B. Messinstrumente) sollten als Open Hardware veröffentlicht und in globalen Communities gedacht werden. Auch bei der Anschaffung sollte auf Open Hardware Alternativen zurückgegriffen werden. Damit sich alle Menschen selbstbestimmt und kritisch mit der Nutzung digitaler Medien und Technik auseinander setzen können, sollte prinzipiell auf freie Bildungsmaterialen (Open Educational Resources, OER) gesetzt werden. Eine kritische Auseinandersetzung mit Technologien lässt sich insbesondere mit dem Einsatz von Open Hardware und Open-Source-Software in Lernprozessen integrieren. Damit erweitern Lernende die Perspektive – von der reinen Nutzung zum Verstehen und Reflektieren.

    Die ganze Stellungnahme ist hier zu finden.