Das neue Lobbyregister braucht schon jetzt ein Update (und wir sind auch drin)

    Reichstag
    Reichstag CC BY-SA 3.0

    Berlin, 10.02.2022

    Die OKF DE ist unter die Lobbyist:innen gegangen und hat sich heute im neuen Lobbyregister des Bundestags registriert (Registernummer R000405). Seit dem 1. Januar 2022 ist das neue Lobbyregister des Bundestags in Kraft getreten, und es herrscht helle Aufregung in der Welt der Verbände, Vereine und sonstigen Interessenvertretungen: Erstmals drohen Sanktionen bei fehlender Registrierung oder falschen Angaben, im schlimmsten Falle ein Bußgeld von 50.000 Euro.

    Am 16. April 2021 hatte die Große Koalition die Einführung eines öffentlich einsehbaren Lobbyregisters beschlossen. Viele Jahre lang wehrten sich die jeweils amtierenden Regierungen dagegen. Unter dem Druck von Skandalen mehrerer Abgeordneter über Nebenverdienste und unethischem Verhalten, gelang also im letzten Jahr der Durchbruch. Das neue Lobbyregister löst die alte Verbändeliste ab, die immer schon ein zahnloser Tiger war.

    Die OKF DE begrüßt die Einführung des Lobbyregisters. Dies ist ein Schritt in die richtige Richtung und trägt zu mehr Transparenz in der Politik bei. Uns freut es insbesondere, dass die Daten des Lobbyregisters als Open Data zur Verfügung gestellt werden. Mit erwarteten mehreren Tausend Eintragungen wird dies ein sehr spannender Datensatz sein. Wir ermutigen alle Parlamentarier:innen, den Datensatz auch dafür zu nutzen, bei Meinungsbildung, Stellungnahmen und Anhörungen möglichst vielfältige Perspektiven zu Wort kommen zu lassen und in den politischen Prozess einzuspeisen.

    Dennoch gibt es einige Kritikpunkte an der Umsetzung des Lobbyregisters.

    Nach aktuellem Stand ist das Lobbyregister zunächst einmal eine Kartierung der Landschaft aller möglichen juristischen und natürlichen Personen, die in irgendeiner Form Kontakte zum Bundestag oder zur Bundesregierung pflegen bzw. dies planen. Das Register enthält keinerlei Informationen über die Interaktion mit der Politik: Wer spricht wann mit wem? Um wirklich zu mehr Transparenz des politischen Prozesses zu kommen, braucht es mehr. Die dringlichste inhaltliche Erweiterung ist daher die Ergänzung des legislativen und exekutiven Fußabdrucks, um transparent zu machen, welche Akteur:innen an politischen Vorhaben, wie zum Beispiel Gesetzesentwürfen, mitwirken. Die Ampelkoalition hat diese Erweiterung bereits in ihrem Koalitionsvertrag verankert und möchte noch in diesem Jahr einen Entwurf dazu vorlegen.

    Kritik geübt werden muss auch am Geltungsbereich des Lobbyregisters. Ausgenommen von der Registrierungspflicht sind beispielsweise die Kirchen und sonstige Religionsgemeinschaften, Kommunalverbände, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände. Warum bei diesen Gruppen keine Transparenz gewünscht ist, bleibt im Unklaren. Das Lobbyregister bleibt darüber hinaus begrenzt auf den Bundestag und die Bundesregierung. Nachgeordnete Bundesbehörden sind nicht berührt, dabei gibt es selbstverständlich auch hier eine hohe Interaktion zwischen Interessenvertreter:innen und Behörden. Grundlage der eigenen Berechnungen zum “Lobbyaufwand” sind zudem nur Kontakte und Aktivitäten von der Ebene einer Bundesministerin bis zur Unterabteilungsleitung. Kontakte mit Referent:innen und Referatsleitungen spielen keine Rolle, sind aber beispielsweise in unserer eigenen Policyarbeit durchaus maßgeblich.

    Nachbesserungen werden bereits in Aussicht gestellt, was den Schutz von Privatspender:innen angeht. Diese sind dringend notwendig. Ab einer Spendensumme von 20.000 Euro müssen Name und Adresse der Spender:innen veröffentlicht werden. Bei Verweigerung drohen Sanktionen, wie der Ausschluss von Anhörungen und Austauschformaten. Bei Veröffentlichung werden Spender:innen möglicherweise in Gefahr gebracht, wenn ihre Kontaktinformationen einsehbar sind.

    Das Lobbyregister wirft eine wichtige Grundsatzfrage bei gemeinnützigen Organisationen auf: Wie politisch darf man sein? Gemeinnützige Organisationen dürfen nur innerhalb der eigenen Satzungszwecke politisch tätig sein; darüber hinaus höchstens gelegentlich und nur bei allgemeinen Aufrufen. Es droht ihnen sonst der Entzug der Gemeinnützigkeit. In der letzten Reform des Gemeinnützigkeitsrechts wurde es trotz hoher Dringlichkeit versäumt, die Frage des politisches Engagements von gemeinnützigen Organisationen auf rechtssichere Füße zu stellen. Für das Lobbyregister spielt das Gemeinnützigkeitsrecht keine Rolle. Organisationen, wie die Open Knowledge Foundation, listen ihr politisches Engagement auf und versehen es auch mit einem finanziellen Aufwand - in unserem Fall bei etwa 57.000 Euro. Wie eng das jeweilige politische Engagement an der Satzung ist, ist sicherlich Auslegungssache. Für nötige Transparenz sorgen wir beispielsweise mit unseren Jahresberichten.

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    Pressekontakt: presse@okfn.de